Anspruch und Realität

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Nachdem Antonio Salandra Ministerpräsident und Außenminister Italiens wurde, wurde der Ruf nach einem Kriegseintritt Italiens immer größer. In Österreich glaubte man schon 1914 nicht an die stabile Neutralität Italiens: Außenminister Graf Berchtold war überzeugt, dass nur eine Abtrennung Welschtirols, Italiens Neutralität aufrecht erhalten würde. Jedoch war er sich auch sicher, dass die Neutralität auch nur so lange bestand, bis sich die Entente einschalten würde und Italien bei einem Kriegseintritt noch das Gebiet um Triest zusicherte. Triest abzugeben war aus Österreichischer Sicht ein absolutes NoGo. Immer wieder forderten einzelne Generäle deshalb, Italien anzugreifen und so einen möglichen späteren Gegner früh genug auszuschalten, quasi zur Sicherheit. Das sei erwähnt, vor allem dann, wenn man Italien wegen seines künftigen „Vertragsbruchs“ verdammte.

Tirol 1914.
Tirol 1914.

Mit dem 1882 geschlossenen Dreibund, verfielen auch die restlichen Gebietsansprüche Italiens an Österreich. Zumindest offiziell. In der Bevölkerung sehnte man sich danach die italienischen Teile Österreichs in Italien einzugliedern. Man muss einige Dinge bedenken: Das Königreich Italien unter Vittorio Emanuele III. wurde erst 1861 gegründet. Das bedeutet, dass Italien ab diesem Zeitpunkt wieder zu einem Staat wurde, anstatt vieler Einzelner zuvor. Die Epoche Vittorio Emanueles nennt man deshalb auch Risorgimento, was ungefähr gleich viel bedeutet wie „Wiedergeburt“: das mächtige antike Italien sollte wiedergeboren werden. Der Irredentismus folgte dem Risorgimento: Als Irredentismus wird der Gedanke bezeichnet, alle italienischen Gebiete einzugliedern, die noch nicht „erlöst“, also nicht bei Italien sind. Wie oben schon beschrieben schielten die Irredentisten hauptsächlich auf Welschtirol und Triest, womit Österreich zum Feindbild wurde. Trotz des Dreibunds und der offiziellen Kursänderung der italienischen Politik, forcierten die Irredentisten ihre Forderungen weiter.
Nationalisten waren mit den irredentistischen Vorstellungen nur wenig zufrieden und begannen eigene, extreme Forderungen zu erstellen: die Hauptwasserscheide sollte als Grenze dienen: Österreich würde somit am Brenner an Italien angrenzen. Diese willkürliche Behauptung ist auf den Lehrer Ettore Tolomei zurückzuführen, der seine Theorie in ganz Italien verbreitete und die sich an einer immer größer werdenden Popularität erfreute. Die von den Irredentisten geforderte „Erlösung“ italienischer Gebiete, waren Tolomei und dessen Anhängerschaft schlichtweg zu wenig: sie wollten eine Eroberung Deutsch-Südtirols. Tolomei ließ sich in Glen bei Neumarkt nieder und begann seine Theorien niederzuschreiben. In einem Jahrbuch  übersetzte er willkürlich Ortsnamen, um den Anschein zu erwecken, Südtirol sei schon lange von Italienern besiedelt. Er prägte auch den Namen Alto-Adige den er aus der napoleonischen Zeit übernahm. Experten Italiens bezeichneten Tolomeis Werk schon früh als eine einzige Fälschung. Eine Fälschung, die aber schon bald Realität werden sollte.

Episodenweise wird versucht, die Geschichte des ersten Weltkriegs in Tirol zu erzählen. Der nächste Teil behandelt weitere Hintergründe und schließlich die Kriegserklärung Italiens an Österreich.
Weitere Inhalte zum Südtirol Schwerpunkt: KommentarBildergalerie, Historischer Text Teil 1, Teil 2
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