Freitagsgebet #11: Blaue und türkise Flecken

26. Jänner 2018
2 mins read

Die Freiheitliche Partei Österreich ist sehr tolerant. Denn einer ihrer Spitzenkandidaten ist halber Perser. Also nichts mehr mit ‚Daham statt Islam‘. Die Perser sind ein besonders Volk. In der Rassenlehre des 19. und 20. Jahrhunderts galten sie als die Ur-Arier. 1935 bat Reza Shah die internationale Gemeinschaft Persien als “Iran” zu bezeichnen, was in Persisch „Land der Aryer““ bedeutet. Der unglaublich belesene Hitler (und das ist leider kein Witz) sponserte 1939 in Teheran die sogenannte Deutsche Wissenschaftliche Bibliothek. Alfred Rosenberg, Chefideologe seines Zeichens schrieb dazu sogar die Widmung. Sie lautet: „Das nationalsozialistische Deutschland widmet sich bewusst der Förderung arischer Kultur und Geschichte und erblickt in den Bestrebungen Irans gemeinsame Ziele, die den Gedanken der geistigen Verwandtschaft beider Völker in erfreulichem Maße ständig gefördert haben.“ Eine sowjetisch-britische Invasion zerschlug alsbald die morgenländische Romanze   zwischen Berlin und Teheran. Dass Landbauer in der letzten Zeit wiederholt seine eigenen „persischen Wurzeln“ betont, um damit eine frühlingshafte Brise von Toleranz zu versprühen, erscheint in Anbetracht der deutsch-iranischen Geschichte etwas befremdlich. Aber egal, gehen wir lieber Shisha Bar.
In aktuellen Zeiten der Islamophobie wird gern vergessen, dass sowohl der europäische Faschismus, als auch der Nationalsozialismus beste Beziehungen zu islamischen Staaten pflegten, was besonders Hitlers Architekt Albert Speer unermüdlich betont hat. Nun ist es falsch, daraus zu schließen, dass die islamische Welt ein besonderes Interesse an europäischen Rechtsradikalismus hatte. Zwar existierten und zweifelsohne existieren innerhalb der muslimischen Welt ausgeprägte antisemitische Tendenzen, jedoch wurden und werden diese durch ebenso vorhandene liberalistische und marxistische Strömungen in Balance gehalten. Der Islam war und ist sowohl für die Rechten, als auch für die Linken ein willkommener Dritter im Ringen der beiden politischen Seiten. Was man daher gerne vergisst: die aktuelle Islamfeindlichkeit der europäischen Rechten ist ein sehr junges Phänomen und widerspricht in weiten Teilen ihrer traditionellen Rassentheorie. Denn anders als die Angst vor der Islamisierung Europas, fußt der Antisemitismus auf einer präzise ausgearbeiteten Rassentheorie. Antisemitismus arbeitet deduktiv. Das Judentum selbst gilt als Virus. Jede Zugehörigkeit wird als gefährliche Ansteckungsgefahr gesehen. Egal, was der einzelne Macht. Das Jüdisch an sich ist das Problem. Islamophobie dagegen arbeitet induktiv: Von einzelnen Muslimen (meistens Terroristen) wird auf alle Muslime geschlossen.
Was heißt das jetzt? Um hier einmal ganz klar zu sein: Beides ist scheiße, Antisemitismus und Islamophobie. Wirklich scheiße. Trotzdem gibt es einen Unterschied. Seit Karl Popper wissen wir, dass Induktion eine Illusion ist. Das heißt: Wir leben in einer islamophoben Zeit, die kulturgeschichtlich „sehr plötzlich“ gekommen ist, und auch „sehr plötzlich“ wieder überwunden werden kann. Der deduktive Antisemitismus fußt jedoch auf einem Fundament, das über zweitausend Jahre fein und sauber betoniert wurde. Dahinter steht eine kulturell, biologisch und philosophisch ausgegorene  Lehre der Herrenrasse.
Die aktuelle Tagespolitik lässt uns das gerne vergessen. Mit Parolen wie „Die nehmen uns den Arbeitsplatz weg!“ oder „Das sind Wirtschaftsflüchtlinge, nicht Kriegsopfer!“ vergessen wir, dass es im eingefleischten Rechtsradikalismus um etwas ganz anderes geht als soziale Probleme: nämlich um das Bewusstsein, etwas Besseres zu sein. Dass sozial gefährdete Wählergruppen zunehmend nach rechts tendieren, ist der Sozialpolitik geschuldet. Das kann man ändern. Eigentlich sogar ziemlich schnell. Eine intellektuell durchgefeilte Ideologie der Überlegenheit leider nicht. In diesem Sinne schließe ich das heutige Freitagsgebet mit der Mahnung: Blaue Flecken kann man rauswaschen. Dafür gibt es inzwischen wirklich gute sozial-politische Waschmittel. Türkise Flecken bleiben und vergrößern sich, denn sie funktionieren anders. Türkise Flecken sind nämlich keine Flecken. Sie haben sich der Hose erbarmt und zieren sie nun als ihr Erlöser, in ihrer unglaublichen Überlegenheit, ganz demütig, weil sie eigentlich wissen, dass sie etwas viel Besseres sind, als die anderen.
Lesetipp: Heribert Schiedel: „Antisemitismus und völkische Ideologie: Ist die FPÖ eine rechtsextreme Partei?“ In: Stephan Grigat (Hg.): AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder. Interdisziplinäre Antisemitismusforschung Bd. 7. Facultas, Baden-Baden 2017, S. 103-120.

Titelbild: (c) Pexels

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