(c) Helmuth Schönauer

Gummikeks

3 Minuten Lesedauer

Wer in Tirol das Jahr über brav ist und artig bitte-bitte und danke-danke sagt, kriegt mit etwas Glück im Februar ein Keks.

„Im Gedenken an den 213sten Todestag des Tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer am Bergisel konnten kürzlich vierzehn Persönlichkeiten mit Ehrenzeichen und dem Tiroler Adler-Orden des Landes ausgezeichnet werden.“

Man spricht übrigens beim Tiroler Adler-Orden im Volksmund gerne von einem Gummi-Orden, weil man ihn manchmal stark verbiegen muss, bis er an die Brust passt.

Neu im heurigen Jahr war die Tatsache, dass in der Ukraine Krieg ist und tausende Kriegsopfer in unserem Land sitzen und auf Hilfe warten, während die Ordensverwalter nichts anderes im Sinn haben, als irgendwelchen Klunker herumzureichen, beispielsweise für die Pflege des Trachtenwesens.

Neu ist heuer theoretisch auch der nördliche Landeshauptmann, aber das bemerkt niemand, weil er die Rede vom Vorgänger hält. Der südliche LH ist hervorragend wie immer, obwohl er schon wieder in einen Wahlkampf muss.

Unter den Ausgezeichneten ist wiederum viel Kirchenpersonal, was darauf hindeutet, dass der nachjustierbare Orden ohnehin nur an aussterbende Lebenszweige vergeben wird.

Besonders lecker ist der Hinweis auf den Kardinal, der sich wegen der Pflege einer Sedisvakanz (also eines simplen Leerstands) sich eine Auszeichnung auf Erden verdient hat. 

Unter diese aussterbende Kategorie des Kardinals aus Wien fallen wohl auch die australische Tennisspielerin und der Hamburger Schriftsteller, beide mit Tiroler Wurzeln. 
Kirche, Tennis und Literatur sind am absteigenden Ast, das sollte wohl bei einer Feier verklunkert werden.

Überhaupt lassen sich die vierzehn Persönlichkeiten in drei Kategorien einteilen:

a) die Angesparten
Manche haben die Ernennung zum Keks schon vor Jahren erhalten, aber erst jetzt Zeit gefunden, auf das offizielle Übergabefoto zu huschen.

b) die Herumstehenden
Diese stehen alphabetisch so lange in einer Reihe, bis ihnen die Landeshauptleute aus Nordnord und Südsüd die entsprechenden Metalle um den Hals gehängt haben.

c) die Entschuldigten
Bei dieser Kategorie ist durch die Bank davon auszugehen, dass sie noch bei Sinnen ist und sich deshalb für eine Ordensübergabe zumindest während der Kriegszeiten entschuldigt hat.
Löblich hervorzuheben sind in dieser klugen Klasse:

– der Fast-Nobelpreisträger Peter Zoller
– die Tennisspielerin Barbara Schett und
– der Schriftsteller Norbert Gstrein.

Da um die gleiche Zeit Fasching ist und ohnehin niemand zur Zeit ins Lachen kommt, kann die Ehrungs-Choreografie samt den offiziellen Bildern rasch wieder ins Archiv geschoben werden, wo sie hoffentlich länger als ein Jahr liegen bleiben wird.

Für einen Zaungast solcher Events, der vielleicht damit spekuliert, selbst einmal einen Gummiadler an die Brust zu pressen, gibt es ein abschreckendes, sehr derbes Gedankenspiel:

– Denk dir fünf A-lochs aus, die einen A-Orden wirklich verdient haben.
– Und du wirst dir für dich selbst garantiert keinen Auftritt in der Hofburg mehr wünschen.

STICHPUNKT 23|18, geschrieben am 23.02.2023

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.