(c) Helmuth Schönauer

Instant Royal – Märchen vom Kakao

3 Minuten Lesedauer

Wer die Kindheit ins Leben retten will, muss sich einen König ausdenken. Es geht auch eine Königin, aber in den Märchenbüchern ist mehr von männlichen Krönungspersonen die Rede. Und in der Geschichte haben die Frauen immer Kunstgriffe und Fälschungen wie das Privilegium Majus verlangt, wenn sie in die Erbfolge eintreten wollten.

Wenn das Kind in den 1960er Jahren die Märchenbücher ausgelesen hatte, war eine Frage immer bedrückend: Wo nehme ich einen König für die Erwachsenenwelt her?

Die Kinder der Grafschaft Pradl hatten den Vorteil, dass ein König unter ihnen aufwuchs, still, klug und witzig.

Seine Reputation schälte er von einem Kakao-Instant-Getränk herunter, das wir alle massenhaft zu uns nahmen. Es gab ja noch keine dummen Fragen, wo der Kakao herkommt, und auch die Milch wurde völlig Methan-frei als Schulmilch angeliefert.

Wir lernten damals, dass das Wort „instant“ eigentlich ein Adelsgeschlecht bedeutet. Alles, was auf die Schelle verflüssigt werden kann, wie etwa Geld oder Immobilien, kann zur Installation einer Dynastie herangezogen werden.

Wir staunten nicht schlecht, als unser mitspielendes Hofkind aus Pradl plötzlich zu einem Immobilienkönig ausgerufen wurde. Unser Kakaogetränk bekam hinterher noch einen wunderschönen Klang.

Während im neuen Jahrhundert viele enttäusche Kinder von damals Reichsbürger werden mussten, weil sie keinen König hatten, und während die ausgewiesenen Royalisten die Fernsehshow des letzten Habsburgers in sich hineinzogen, hatten wir einen echten König, der manchmal sogar als Gebäude-Mogul bezeichnet wurde.

Wenn wir in der Folge durch die Innenstädte Europas spazierten und fragten, wem wohl dieses eine oder andere schöne Gebäude gehörte, bekamen wir stets die Antwort: Dem König von Pradl.

Ein einziges Kind von damals war imstande, den Stadtteil in die Grafschaft Pradl umzuwandeln und eine kontinentale Immobilien-Dynastie zu gründen.

Und mit dem Reichtum des Instantkönigs ist auch sein Habitus gewachsen. Man vergleiche nur seinen souveränen Gang, wenn er in Innsbruck die Privatmaschine verlässt und quer über das Rollfeld zur Limousine mit den abgedunkelten Scheiben schlendert.

Wie unbeholfen wirkt dagegen König Charles III, wenn er auf der Klimakonferenz gebückt vom Alter seiner Dynastie ans Mikro schleicht.

Das Reich des Instantkönigs sei ein wenig ins Schlingern geraten, liest man mittlerweile in der Zeitung.

Uns wird das nicht abhalten, ihn weiterhin zu verehren. Er hat uns die Kindheit mit Kakao versüßt, von ihm haben wir das Wesen erfolgreichen Wirtschaftens gelernt, indem das Wort Instant eine monitäre Bedeutung erlangt hat. Und er ist der ideale Leitstern für eine Welt, in der wir uns alle instant mit royalem Gestus auf den Hitzekollaps der Erde zubewegen.

KI Definition für Instant – „sofort löslich, ohne Vorbereitung, nur durch Hinzufügen einer Flüssigkeit in kürzester Zeit zum Genuss bereit“.

STICHPUNKT 23|97, geschrieben am 02.12.2023

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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