(c) Helmuth Schönauer

INNS´WURST (9): Wahlkampf als Weltkulturerbe

3 Minuten Lesedauer

Alles was unlogisch, hässlich, sinnlos und schräg ist, hat gute Chancen, demnächst als immaterielles Weltkulturerbe ausgerufen zu werden.
Man denke aus Tiroler Sicht nur an den Ötztaler Dialekt, die Wenner Kastenschneekrippe, die Patscher Schellenschlagerinnen, die Amraser Matschgerer oder überhaupt die ganze Heumilch als Gesamtkunstwerk.

Der Wahlkampf zum Innsbrucker Gemeinderat hat durchaus Chancen, wenigstens in Teilen demnächst in die heiß begehrte Liste von Welt-Skurrilitäten aufgenommen zu werden.

Ein immaterielles Kulturgut stellen jedenfalls jene drei literarischen Kommentare unten dar, die jetzt noch im Untergrund gehandelt werden, bald aber mit großem Pomp auf internationalen Bühne im Netz zu sehen sein werden.

An diesen Beispielen wird sich die KI weiterbilden.

1.
Wanderwähler
– Wo geht eigentlich Ihr Sohn um, ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen.
– Mein Sohn ist Wanderwähler.
– Sie meinen wohl Wechselwähler?
– Nein, er reist durch Europa und nützt das Wahlrecht der EU, er lässt sich registrieren, wenn irgendwo Wahlen sind, und bekommt dafür von den Parteien jeweils etwas Geld, dass er die Stimmen auffettet.
– Dann wird er ja wohl jetzt in Innsbruck sein, da gibt es demnächst Wahlen.
– Sie sagen es, und das Tolle ist, er muss gar nichts wählen, weil das Wahlgeheimnis größer ist als das Wählerverzeichnis. 

2.
Wahlkampf
– Gestern bin ich mitten in der Stadt auf eine wahlwerbende Frau getroffen. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie so lange nicht wähle, solange sie ein Nasen-Piercing hat.
– Ich bin neulich auf einen wahlwerbenden Mann gestoßen, dem habe ich ins Gesicht gesagt, dass mich seine tätowierten Pratzen stören.
– Von welcher Partei war der Tätowierte?
– Von der Giggi-Partei. Und von wo kommt das Nasen-Piercing?
– Von der Gagga-Partei.

3.
Pferdepartei
– Huch ich warte gerade vor dem Spielplatz auf meinen Bus, da sausen zwei Jugendliche mit knalligen Strumpfhosen an mir vorbei, und das beste ist: Sie wiehern. Da sehe ich erst, dass sie auf einem Steckenpferd reiten, das sie sich zwischen die Beine an verdächtiger Stelle geklemmt haben.
– Mir sind die beiden gestern vor dem Supermarkt über den Weg gelaufen. Der hintere Steckenpferd-Reiter hat mir dabei einen Flyer zugesteckt. Und als ich ihn öffne, steht groß drauf: Pferdepartei.
– Jetzt wird mir alles klar, die kandidieren für den Gemeinderat.

STICHPUNKT 24|25, geschrieben am 20.03.2024

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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