Humor ist, wenn die Winde wehen

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Humor ist feucht. Feucht wie die Fürze, die Luke Mockridge und Joyce Ilg heute Abend in der Sat1 TV-Show – „LUKE! Die Woche und ich“ ins Spätabendprogramm setzen werden. Feucht, wie die Aussprache eines enthusiastischen Parodisten im Moment der Pointe. Feucht, wie die Tränen des bespaßten Publikums. Feucht, wie das lateinische Wort „humor“, das eigentlich Feuchtigkeit bedeutet und einen der Säfte, in der von den Galen entwickelten Temperamentenlehre, darstellt. Zusammengefasst ist Humor also, der Saft der uns das Leben heiterer macht. Und Säfte schmecken nicht immer gleich. Deutscher und österreichischer Humor ebenso wenig.
Während heute Abend im Innsbrucker Treibhaus das Staatstheater auftritt und in einer „gspaßig“ alpenländischen Hommage dem großen Tiroler Kleinkünstler, Kabarettisten, Schauspieler, Schriftsteller und Wortjongleur Otto Grünmandl gedenkt und huldigt, startet auf dem deutschen Privatsender Sat1 die neue TV-Serie „LUKE! Die Woche und ich“. Welcher Luke, welche Woche und wer bin ich – fragen nun manche? Luke Mockridge ist Sohn des Kabarettisten- und Schauspieler-Ehepaares Bill Mockridge und Margie Kinsky und Bruder von 5 Brüdern. Er ist 25 Jahre jung und mit Sicherheit der Superstar im deutschen Comedy Nachwuchs. Er ist zweifelsohne ein begnadeter Entertainer, eine Rampensau mit Baseball-Cap und Michel-aus-Lönneberger-Charme. Immerhin moderiert er die Kölner Kult-Standup-Bühne „Nightwash“, unterhält regelmäßig das Publikum von TV-Total und auf Youtube und Facebook folgen ihm sowieso Hunderttausende-Millionen-aber-zig-Milliarden. All das hat auch Sat1 gewusst und den jungen Mann sofort verpflichtet. In seiner wöchentlichen 22:30Uhr-Sendung lässt er nun regelmäßig die Woche Revue passieren und macht dabei allerhand Quatsch. Heute geht es los. Und wie.
snooze
Darf man dem Trailer auf Lukes Youtube-Kanal Snooze glauben, dann wird die erste Sendung ordentlich Dampf machen. Stinkenden Dampf. Dampf aus dem Hintern. Das Thema der Woche (und ich): Fürze! Luke und seine kongeniale Youtube-Partnerin Joyce Ilg (31-jährige Schauspielerin und mittlerweile erfolgreiche Youtuberin) werden sich einem galileo-like Experiment unterziehen, Kohletabletten und Pfefferminz-Serum schlucken, Kebab und Zwiebel völlern bis die Darmwinde zu wild gewordenen Orkanen werden und kaum mehr zu halten sind. Danach werden die beiden in ein Sackerl „pupsen“, sich dabei filmen und das Ergebnis „wissenschaftlich“ auf das Stink-Potenzial untersuchen lassen. Gewonnen hat der, bei dem der Furz weniger stinkt als der Durchschnittsdarmwind. Bildungsfernsehen – Privatfernsehen. So ganz will ich ja noch nicht glauben, dass heute Abend im Fernsehen tatsächlich gefurzt wird, bis der Arzt kommt. Noch immer hoffe ich, dass das alles nur heiße Luft war, ich auf einen PR-Gag reingefallen bin, gerade gratis Werbung  mache und heute Abend so etwas von weggeflasht vor dem Fernseher sitze und mich über wirkliche Unterhaltung freue.

Youtube-Stars und Luke Mockridge

Doch wenn ich mir die restlichen Videos der gefeierten Stars der Generation Youtube so ansehe, verkriecht sich meine Hoffnung, wie ein schüchterner Darmwind in Gegenwart einer reizenden Dame. Youtube war für mich immer eine Plattform, auf der ich Musik hören konnte, die gerade nicht im Radio lief. Später kamen hilfreiche Tutorials dazu, die mir den Alltag erleichterten. Dass es heute aber sogenannte Youtuber gibt, also junge und ältere Menschen, die wöchentlich oder noch öfter, Videos von sich hochladen, dabei zeigen, wie sie sich selbst Schminken, Kinderfotos in die Kamera halten, Games zocken, Telefonstreiche oder Flaschendrehen spielen – habe ich irgendwie verpasst.
Nun bin ich eingetaucht in diesen bittersüßen Kosmos, in dem narzisstisch veranlagte Jugendliche verzweifelt nach jener Aufmerksamkeit suchen, die ihnen ihre Eltern nie gegeben haben, sich gegenseitig dissen, liken, sharen, Millionen Follower heranzüchten und dabei von Medienkonzernen benutzt werden. Man braucht wahrscheinlich wirklich Eier aus Stahl, um die gehypten, gefeierten, gelobten, gepriesenen Youtube-Stars öffentlich nicht gut zu finden. Jan Böhmermann hat genau das getan. Er zeigt auf seine schroff-böse, direkte Art die kühle, farblose Maschinerie, die hinter der bunten, quietschenden Youtuber-Fassade so vor sich hin arbeitet.

Nach vier Stunden Youtube-Recherche bin ich nun Abonnent von 24 Youtube Kanälen, habe ab und an gelacht, mich öfters Fremdgeschämt, gelernt wie ich eine Grundierung auftragen muss, erfahren wie ich endlich bei GTA5 weiterkomme und auch die Top10 der „Katzen-die-vor-Babys-erschrecken-Videos“ gesehen. Mein Fazit? Humor scheint tatsächlich ein Saft zu sein, der nicht immer gleich schmeckt. Das tun Bier und Wein im übrigen auch nicht. Youtube und Facebook haben den Humor mit Sicherheit verändert, ihn ein wenig wässriger gemacht. Süße Etikette, kaum Inhalt. Immerhin gibt es heutzutage offensichtlich mehr lustige Menschen als früher. Zumindest mehr Menschen, die glauben etwas lustiges tun und dies online stellen zu müssen. Aber es gibt eben auch junge Menschen, die genau darauf abfahren. Und deshalb gibt es Künstler, die von der Bühne und vom Youtube-Kanal weg, direkt ins Fernsehen geholt werden, um dort zu furzen. Weil das Fernsehen die jungen Menschen als Zuseher eben braucht. Dringend!
Es gibt Non-Talente, Mono-Talente und Multi-Talente. Dass Luke Mockridge zur letzteren Kategorie zählt und nicht nur Youtube kann, sondern ein ernst zunehmender Künstler ist, hat er schon bewiesen. Von Herzen wünsche ich ihm, dass er für die Spaßwelt des Fernsehens nicht all zu lange die Prostituierte macht, sondern eine Chance bekommt seine ernst zunehmende Seite zu zeigen.  Es wäre ein trauriges Ende, wenn ein talentierter, humorvoller junger Mann zum Kasperl mit dem Mützerl und breiten Grinsen, das über Jugendkultur, Achselfurzen und Pokemon witzelt, verkommt.

Markus Koschuh in "Otto Grünmandl: Lachen im alpenländischen Raum". Läuft derzeit im Innsbrucker Treibhaus. Foto: Staatstheater
Markus Koschuh in „Otto Grünmandl: Lachen im alpenländischen Raum“. Läuft derzeit im Innsbrucker Treibhaus. Foto: Staatstheater

Österreichischer Humor: schmeckt der generell anders?

Auch in Österreich gibt es Kasperl – mit und ohne Mützerl. Dass der österreichische Humor ein spezieller ist, wissen wir nicht erst seit Stermann und Grissemann und ihrem „Willkommen Österreich“, sondern seit Größen wie Otto Grünmandl. Skurril, dunkel, raunzat, direkt, oftmals zu hart und morbid. So nehme ich die Spaßseite der Alpenrepublik wahr. Otto Grünmandl war anders. Raffinierter, intelligenter. Die Staatstherater Hommage an den, zweifach mit dem deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichneten, Tiroler Kabarettisten soll es auch sein – raffiniert, intelligent. Auf jeden Fall aber „gspaßig“ und mit allerhand buntem Alpen-Folklore. Tirols junge Szene scheint also nicht auf Youtube zu sein und auf Telefonstreiche vor laufender Kamera zu setzen. Leute wie Markus Koschuh beschäftigen sich mit anderen Themen, wagen einen humorvollen Blick in die Vergangenheit und tief hinein ins eigene Land. So tief, dass die Säfte ins Wallen kommen und die Tränen den Augen entweichen. Freudige, leidende und berührte gleichermaßen. Ob österreichischer Humor generell anders schmeckt, als jener im höheren Norden kann ich nicht beurteilen. Nur eines ist sicher. Wer „Otto Grünmandl: Lachen im alpenländischen Raum“ besucht, muss damit rechnen, dass die Magensäfte ins Gurgeln kommen. Da kann es dann schon mal passieren, dass auch hier ein kleiner Wind entweicht. Ich werde es riskieren. Heute. Noch vor 22:30 Uhr.
 

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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