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Die vergessenen Kreativen

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Bei einer Diskussion im „KULTURMONTAG“ des ORF  über die Notlage der Kunstbranche, brachte ein Filmemacher die enorme Umwegrentabilität dieses Wirtschaftszweiges ins Spiel. Neun Milliarden Euro werden jährlich umgesetzt und nicht weniger als 180 Tsd. Jobs sind unmittelbar betroffen.

Ein bekannter österreichischer Bestsellerautor hat dann dieser Sichtweise grundsätzlich widersprochen. Man dürfe die Kunst nicht auf ihre Umwegrentabilität reduzieren, sondern im Mittelpunkt müsse die „Schönheit“ der Kunst stehen.

Damit brachte der Autor die klassische Sichtweise, dass Kunst „edel, schön, wahr“ etc. sein muss, ins Spiel. Diese Position scheint aber die wenigsten der Betroffenen im Moment zu beschäftigen, sondern es geht einfach darum, irgendwie über die Runden zu kommen.

Schon bisher wurden große Teile der Kunstproduktion in Österreich vom Staat subventioniert und auch mit dem Argument der Umwegrentabilität gerechtfertigt. Durch die Virenkrise und die damit einhergehende Schließung der Spielstätten fielen die Einnahmen weg. Inzwischen wird zaghaft begonnen, die Kultur unter bestimmten Sicherheitsmaßnahmen wieder hochzufahren. Für die in Notlage geratenen Künstler und vor allem für kulturelle Institutionen (Theater, Museen etc.) werden vehement Hilfspakete gefordert, die die Ausfälle zumindest teilweise kompensieren sollen.

Die institutionelle Kunstbranche hat während der ersten Wochen der Krise mit einer Schockstarre reagiert. Außer dem Vorschlag, der Staat müsse die Ausfälle wettmachen, kam nicht viel. Viele Künstler verlegten sich zwar auf das Internet, was nicht viel brachte, vor allem aber wurde gejammert und gesudert und die Politik kritisiert. Dieses Verhalten sorgte für mediales Aufsehen (Saure Corona-Zeiten für Medien) und zeigte auch Wirkung. Eine Staatssekretärin musste ihr Hütchen nehmen und inzwischen denke ich, dass der institutionalisierte Kunstmarkt mit staatlicher Hilfe die Krise einigermaßen überstehen wird. Hier werkeln entsprechende Persönlichkeiten, die ihr Geschäft gut verstehen (bestes Beispiel: ein Vorstadttheaterdirektor, der klug nach dem Motto verfährt, jenes Baby, das am lautesten schreit, wird zuerst gewickelt).

Für jene Künstler, die schon jetzt eher ein Schattendasein geführt haben und die mit zu den kreativsten Köpfen gehören, hat Corona nicht allzu viel verändert. Es handelt sich dabei um die zahlreichen Einzelkämpfer in der Kunstszene: Schriftsteller, Maler, Musiker, freie Schauspieler, Galeristen etc.

Diese Einzelkämpfer haben vor der Krise prekär gearbeitet und tun dies auch jetzt während der Corona-Krise. Diese Leute, die schon immer unter den Tisch gefallen sind, wenn es um Förderungen und Unterstützungen ging, haben mit zwei Problemen zu kämpfen. Einerseits fehlt ihnen eine starke Vertretung bzw. Lobby und andererseits musste sich ein jeder dieser Kunstschaffenden das Argument gefallen lassen, dass sie von niemandem gedrängt würden, freischaffend tätig zu sein. Wenn man eine soziale Absicherung wolle, dann müsse man sich einen anderen Job suchen.

Ein guter Freund von mir ist ein begnadeter Maler. Im gleichen Maße, wie er hervorragende Kunstwerke schafft, ist er ein ganz schlechter Kaufmann. Er ist keiner, der Klinken putzt, der sich überall aufdrängt, der seine Person und seine Kunst in den Vordergrund stellt. Er ist kein Selbstdarsteller. Sehr sympathisch, aber völlig fehl am Platz, wenn man am Kunstmarkt einigermaßen erfolgreich bestehen möchte. Ein schwerer Fehler, denn ich bin ohnehin der Meinung, dass 90 % der Kunst nur noch Marketing und Lobbying sind.

Jedenfalls sind für meinen Freund alle Nothilfsprogramme bedeutungslos, so wie für viele seiner Kollegen. Mein Freund lebt bescheiden. Er hat Gott sei Dank zumindest eine Krankenversicherung über den Dienstleistungsscheck. Sein Einkommen ist so gering, dass er nicht in die Steuerpflicht fällt. In diese Bereiche wird keine Hilfe hinkommen.
Für diese Gruppe von Kunstschaffenden fällt so wie bisher nichts ab. Sie leben, wie unser Bestsellerautor gemeint hat, im weitesten Sinne für die „Schönheit“ der Kunst. Nur halt unter anderen materiellen Bedingungen als der große Autor.

Elias Schneitter, geboren und aufgewachsen in Zirl/Tirol. Lebt in Wien. Erste Publikationen ab 1976, vorwiegend in Literaturzeitschriften (Fenster, Rampe, Wespennest, Kolik, Literatur und Kritik, protokolle, etc...) und Hörspiele im Rundfunk. Zur persönlichen Website
Mitbegründer und Kurator des internationalen Literaturfestivals "sprachsalz" (www.sprachsalz.com) in Hall Tirol. Zur Sprachsalz Website
Leitung der "edition-baes" - Zur Website, wo der Schwerpunkt auf US-amerikanische Underground Literatur gelegt wird.

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