Auf einen Kaffee mit der Autorin Didi Drobna

19 Minuten Lesedauer

Ich schreibe ihr eine Mail. Darin enthalten. Freundliche Worte, Terminvorschläge und eine Liste mit Innsbrucker Kaffeehäusern. Ich lass dich wählen … Cafe 1: Wie in Wien, klassisch, hektisch, aber schön. Cafe 2: direkt beim Goldenem Dachl, teurer, mittelmäßiger Kaffee, aber halt echt nett. Cafe 3: uralt, Grosseltern Charme, aber eine Institution, sensationelle Kuchen. Cafe 4: mini, guter Kaffee, sehr süss. … dann gibts noch zwei Italiener Bistros. Lass dir ruhig Zeit mit dem Aussuchen. Sie entscheidet sich Tage später für Cafe 3. Institutionen muss man gesehen haben. Am Tag darauf sitzen wir dort. Essen keinen Kuchen, aber trinken tatsächlich Kaffee.


Das Konzept: „Innsbruck liest


AFEU: Wie geht es dir als „Innsbruck liest“ Autorin?
Didi Drobna: Mir geht es wirklich wunderbar. Ich freue mich sehr, hier zu sein. „Innsbruck liest“ ist wirklich grandios. Ich finde es toll wie das hier in die Stadt eingebunden ist. Die Partizipation der Bevölkerung ist wirklich unglaublich. Ich habe viel Liebe und Positives erfahren und das ist wirklich, wirklich schön. Als Autor erlebt man das ja gar nicht so oft, dass sich Menschen wirklich so freuen, dass man da ist. Ich bin derzeit also sehr gut drauf.
AFEU: Wie beurteilst du das Konzept „Innsbruck liest“? Offensichtlich bist du begeistert. Aber was macht es so besonders und so einzigartig?
Drobna: Die Qualität und die Quantität. Auf der einen Seite gibt es dieses fast zwei Wochen dauernde Rahmenprogramm, mit den unterschiedlichsten Veranstaltungen. Von ganz normalen Lesungen, bis hin zu dieser atmosphärisch wunderschönen Straßenbahn-Lesung. Auf der anderen Seite gibt es die vielen Möglichkeiten, um mit den Passanten direkt in Kontakt zu kommen. Und ganz besonders ist natürlich, dass seit zwei Jahren nur Debüts ausgewählt werden. „Innsbruck liest“ positioniert sich als Literaturentdecker und gibt Debütanten die Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu bekommen und kann sich so im besten Fall später damit rühmen Karrieren auf den Weg gebracht zu haben.
Vergleichbar ist das hier fast mit dem Rauriser Literaturpreis. Dort wurden auch die einen oder anderen Autoren entdeckt und gefördert. „Innsbruck liest“ hat immer sehr guten Geschmack gehabt. Die Preisliste liest sich wie das Who is Who der deutschspachigen Literatur. Hier wird einfach wichtige Kulturarbeit geleistet. Kulturarbeit bedeutet nämlich nicht das Werken innerhalb eines geschlossenen Systems, einer Szene, für die üblichen drei Verdächtigen, sondern darauf zu schauen, dass man die breitere Bevölkerung erreicht, die Leute von der Straße, die eben nicht den ganzen Tag in der Buchhandlung sitzen. Die Kombination bei „Innsbruck liest“, mit dem Gratisbuch, den Veranstaltungen und den vielen Interaktionsmöglichkeiten ist wirklich etwas tolles, das auch sehr gut funktioniert.
AFEU: Gibt es trotz des vielen Lobes vielelicht auch den ein oder anderen Verbesserungsvorschlag?
Drobna: Als Autor hat man hier natürlich eine ganz eigene Position. Man ist fast „zwischen Schaumstoff“ gepackt. (lacht; ihr Roman trägt diesen Titel) Alle sind unglaublich bemühnt und nett zu einem. Da kann man nicht eimal ansatzweise irgendeinen Verbesserungsvorschlag anbringen. Für mich funktioniert es, so wie es ist, einfach wunderbar. Und das sage ich jetzt nicht nur, um Innsbruck bauchzupinseln.
AFEU: Was nimmst du für dich mit? Einerseits die vielen positiven Eindrücke, andererseits die gesteigerte Aufmerksamkeit für dich und dein Buch?
Drobna: Jungautoren haben generell keinen so leichten Einstieg. Sie sind ja neu und jung und kommen im besten oder auch schlimmsten Fall mit einer neuen Literatur daher, an die sich die Leserschaft vielleicht erst gewöhnen muss. Meistens fällt das gar nicht auf, weil es einfach untergeht. Oder sie werden von Anfang an sehr stark vom Verlag gepusht. Das ist natürlich auch eine tolle Sache, wenn ein Verlag sagt, wir glauben so sehr an dich, dass wir das aus dem Boden heben, einfach aus dem Stehgreif, auf Anhieb. In einem solchen Fall wird der Autor selbst zur Marke. Bei „Innsbruck liest“ ist das anders. Hier bekommt man zwar auch Aufmerksamkeit, aber der Autor bekommt die Chance unabhängig von diesen ganzen Mechanismen zu arbeiten, er bekommt eine Plattform und kann sich in diesem geschützten Raum entwickeln. Diese Erfahrung nehme ich mit.


Das Buch: Zwischen Schaumstoff


AFEU: Kommen wir kurz zu deinem Buch. Was bekommen die Menschen geboten, wennn sie dein Buch lesen? Oder anders gefragt. Wieso sollten sie dein Buch lesen?
Drobna: Das sind immer die schlimmsten Fragen: Worum gehts denn jetzt eigentlich? Ich sage auch immer etwas anderes. Persönlich finde ich nämlich, dass sehr viele Themen und Motive darin vorkommen. Es geht um Familie, um Geschwisterliebe. Aber auch um die Schwierigkeiten in Familien und Geschwisterbeziehungen. Es geht um Freundschaft, um das Älter werden, um das Alleine sein, psychische Krankheiten, um Abenteuer, Sehnsucht, Ausbruch und Aufbruch. Ich glaube, dass der Roman viele unterschiedliche Einstiegspunkte für die Leute bietet. Das war auch im Rahmen von „Innsbruck liest“ sehr spannend zu sehen.
Sehr viele Leute sind auf mich zugekommen und haben sich mit mir unterhalten. Und jeder einzelne hat seinen eigenen Anknüpfungspunkt mitgebracht. Es gab die Fraktion, die sich sehr stark mit dem Thema der psychischen Erkrankungen beschäftigt hat, mit der Aktualität und der Notwendigkeit, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Es gab aber auch jene, die einfach nur die Beziehung zwischen den Schwestern wunderbar fanden und gemeint haben: ja genau so ist es, so ist es so aufzuwachsen. Dann gab es aber auch die Leute, die das Buch entweder wahnsinnig kurzweilig gefunden haben oder es nicht bis zum Ende lesen konnten, weil es zu hart und zu belastend war. Jeder Leser liest quasi ein anderes Buch.
AFEU: Das heißt, dein Rat lautet: unbedingt das Buch schnappen und reinlesen? Jeder wird seinen Einstieg finden?
Drobna: Ich hoffe es natürlich sehr. Beim Schreiben habe ich mich jedenfalls sehr darum bemüht. Was es aber auf jeden Fall nicht ist, irgendeine Standlektüre. Dafür geht es zu sehr um schwierige menschliche Zustände und Beziehungen. Das Leben ist nicht immer lustig, aber auch diese Dinge müssen erzählt und besprochen werden.


Die Autorin: Didi Drobna


AFEU: Wechseln wir das Thema. Kommen wir zu dir als Autorin. Wie ist es dazu gekommen? Wie früh hast du mit dem Schreiben begonnen?
Drobna: Die literarische Karriere hat beim mir im zarten Alter von sechs Jahren begonnen. (Anm.: Die Autorin hat im Volksschulalter ihr erstes Buch geschrieben, selbst illustriert, gebunden und um 50 Groschen an ihren Vater verkauft. Ein großer Erfolg. Immerhin war damit die gesamte erste Auflage innerhalb kürzester Zeit komplett vergriffen) Nach dem ersten 50 Groschen-Roman kamen noch viele weitere. Ich habe damals schon damit begonnen mir selbst Buchklappen zu basteln, mit Passfoto und allem was dazu gehört. Mein sechs-, sieben-, achtjähriges Ich hat also schon ganz fest daran geglaubt, dass es irgendwann klappt. Mit dem Erwachsenwerden ist mir immer klarer geworden wie unmöglich dieses Unterfangen eigentlich ist. Ich habe es dann eine Zeit lang komplett gelassen, habe begonnen zu studieren, zu arbeiten und habe wirklich lange nicht geschrieben.
Vor allem das Germanistikstudium hat mir das Schreiben komplett ausgetrieben. Ich habe mir einen ganz anderen, diesen analysierenden, kritischen, literaturwissenschaftlichen Blick angewöhnt. Beim Schreiben ist es aber durchaus notwendig erstmal etwas ganz Furchtbares zu Papier zu bringen und danach drüber zu arbeiten. Irgendwie war das Bedürfnis aber trotzdem da und so habe ich irgendwann wieder begonnen herumzuprobieren. Einen Text habe ich bei einem Preis eingereicht und grandioser Weise den zweiten Platz belegt. Da habe ich zu mir gesagt: Das Feuer scheint ja doch noch nicht ganz ausgegangen zu sein, mach mal weiter und schau was passiert. Dann habe ich die allererste Kurzgeschichte geschrieben, die später die Grundlagen für den heutigen „Innsbruck liest“ Roman geworden ist.
Die Figuren aus der Geschichte haben mich nicht losgelassen und so habe ich zwei Jahre lang, komplett orientierungslos einfach weitergeschrieben und herumprobiert. Ich hätte mir aber nie angemaßt zu behaupten, dass ich einen Roman schreiben kann. Ich weiß heute auch nicht mehr genau, wie ich „Zwischen Schaumstoff“ geschafft habe. Mein Verlag, den ich damals schon hatte, hat das jedenfalls sehr schlau gemacht und mir auf eine pädagogische Art gesagt: Mensch Didi, magst nicht mal schauen, dass der Roman fertig wird. Als der Roman dann im Verlagsprogramm angekündigt war, hatte ich erstmal Angst und Panik, aber irgendwie hat sich das in Produktivität umgewandelt. Gegen Schluss habe ich wirklich um mein Leben geschrieben und plötzlich waren die 300 Seiten da.
AFEU: Wie hat sich seit damals dein Leben verändert?
Drobna: Ich traue mich jetzt zu sagen – ich bin Autorin. Früher habe ich das wehement von mir gewiesen. Ich hätte mir das nie angemaßt, mich mit Autoren zu vergleichen. Langsam finde ich es nicht mehr so furchtbar mich selbst als Autorin zu bezeichnen. Auf der anderen Seite kommt damit auch gewisses Selbstvertrauen und Verständnis von einem selbst und dem eigenen Schreiben daher. Man macht und traut sich mehr. Offensichtlich hat es jetzt einmal funktioniert, also probiere ich noch einmal. Eine Seite nach der anderen, eine Seite nach der anderen. Der Prozess beginnt also wieder bei null, aber ich habe zumindest die Gewissheit, dass es schon einmal geklappt hat.
AFEU: Du wächst also langsam in die Rolle der Autorin rein?
Drobna: Ja, doch. Zumindest entwicket man so etwas wie eine Sicherheit. Man hat nicht mehr vor jeder Lesung Angst ohnmächig zu werden. Trotzdem ist es noch immer unglaublich spannend. Routine stellt sich wohl erst nach sehr, sehr, sehr vielen Lesungen und Büchern ein.
AFEU: Gibt es die Autoren-Marke Didi Drobna eigentlich schon?
Drobna: Schwierige Frage. Nein, ich glaube nicht. Oder noch nicht. Nein eigentlich  nicht. Ich wüsste zumindest nicht was das sein sollte. Ich tue auch  nichts in diese Richtung, um mich krampfhaft irgendwie, irgendwo zu verkaufen. Ich bemühe mich einfach so zu sein, wie ich bin. Persönlich finde ich das nämlich unglaublich mühsam, wenn mir Dinge aufs Auge gedrückt werden, die mir laut ins Gesicht schreien: Hey, schau auf mich! Wenn ich an Charlotte Roche denke. Sie wurde zu dieser aufgesexten, superfeministischen, progressiven, argen Autorin hochstilisiert. Die sie vielleicht gar nicht ist. Ich mag das nicht, wenn mir jemand die Meinungsbildung vorwegnimmt. Abgesehen davon engen Erwartungen immer ein. Sie sind aber Ausdruck unserer Zeit. Dabei sollten Autoren viel mehr in den Hintergrund treten. Sie sind zwar jene die das Buch schreiben, aber ab einem gewissen Punkt muss sich das auch einmal lösen. Buch und Autor, das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge.


Das Schreiben und die „Vorbilder“


AFEU: Werden dir deine eigenen Texte also nach einer gewissen Zeit, selbst auch fremd?
Drobna: Extrem. Ja, „Zwischen Schaumstoff“ ist mir inzwischen total fremd geworden. Das Buch ist 2014 erschienen. Das Manuskript habe ich im Sommer davor abgegeben. Bei Lesungen liest man ja normal immer die paar Passagen, die wirklich funktionieren, mehr aber auch nicht. Für „Innsbruck liest“ habe ich 2016, also eineinhalb Jahre später, mein eigenes Buch wieder gelesen. Das war ein sehr eigenartiges Gefühl, weil ich natürlich weiß was drin steht, aber die Details natürlich alle vergessen habe. Es war schon spannend sich selbst zu lesen. Schön war, dass ich beim manchen Seiten gedacht habe, okay, das funktioniert immer noch, ich bin zufrieden. Bei anderen Seiten wollte ich aber schon zum Stift greifen und sagen, nein, nein so machen wir das hier nicht. Das weg, das umstellen. Ich bin jedenfalls froh, dass ich nicht alles schrecklich fand. Das ist schon einmal ein Erfolg.
AFEU: Gibt es Berufskollegen die dich inspirieren?
Drobna: Eine unendlich lange Liste wäre das. Aber in aller erster Instanz Michael Köhlmeier und seine Frau Monika Helfer. Ich liebe die beiden im Doppelpack. Aber gerade Michael ist für mich absolut großartig. Er erzählt, wie Erzählen ganz ursprünglich war. Er hat diese mündliche Erzähltradition, das liest sich auch aus seinen Büchern raus. Dafür wurde er zwar lange kritisiert, aber er macht sehr gute, sehr wichtige, sehr hohe Literatur und das kommt jetzt endlich an. Ich schätze auch Siri Hustvedt und Paul Austin, wieder ein Literatenpaar. Und etwas ganz anderes. Ich liebe Karl Kraus. Seine bitterbösen, aber akkuraten Beobachtungen des Zeitgeschehens sind ganz wundervoll. Das ist wie eine Zeitreisemaschine in die Vergangenheit. Ich kann mir das einfach gut vorstellen, wie er in einem Kaffeehaus sitzt und total aufgebracht schreibt und anprangert. Ich lese aber auch gerne Science-Fiction und Fantasy. Also eigentlich querbeet, fällt mir gerade auf.


Der Abschluss


AFEU: Wie bringt man Kinder zum Lesen?
Drobna: Das ist ein extrem wichtiges Thema. Zwei Stichworte: Sozialisierung und Vorbildfunktion. Eltern und Großeltern, Kindergartenpädagoginnen, Lehrer, wir alle müssen den Kindern mehr vorlesen. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern mir sehr viel vorgelesen haben. Das war immer meine liebste Tageszeit. Wenn meine Eltern sich Zeit genommen und mir Geschichten vorgelesen haben. Kinder sind offen für alles und begeisterbar. Aber es Bedarf Erwachsener, die sich eben Zeit nehmen und auch einmal etwas vorlesen.
AFEU: Abschlussfrage. Hast du noch Worte an Innsbruck? Worte die du gerne hinterlassen würdest?
Drobna: Das ist jetzt nicht besonders kreativ oder geistreich, aber ich belass es dabei. Ein großes DANKE!


Nach dem offiziellen Teil plaudern wir noch 20 Minuten weiter. Auch diesmal geht es nicht um Möhren. Gegen 11 Uhr muss die Autorin weiter. Der nächste Termin wartet. „Innsbruck liest“ Autoren sind ganz schön begehrt.

Selbstverständlich hat unser Autor wieder einmal vergessen seine Kamera zum Gespräch mitzunehmen. Aus diesem Grund gibt es keine fotografischen Aufzeichnungen dieses Gesprächs. Stattdessen müssen wir auf Fotos der Autorin zurückgreifen (c) Didi Drobna, Quelle: Didi Drobna Website, Titel: Didi liest im Literaturhaus (Wien)

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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