Das Leben zwischen Klischees und Realität

6 Minuten Lesedauer

von Patricia Salema


In Deutschland geboren, das erste Wort auf Portugiesisch. Das Leben zwischen Klischees und Realität.
Dank der Globalisierung bin ich nach heutigem Verständnis, nichts Besonderes mehr. Nicht exotisch. Kinder aus Mischehen gibt es quasi an jeder Ecke. Dass es aber nicht immer einfach ist, als ein solches Kind aufzuwachsen, sehen die wenigsten. Ich lebe zwischen Klischees, (lustigen) Missverständnissen und der Realität.
Willkommen in meinem Leben.
Wer glaubt, es sei schon schwierig seinen Partner seiner Familie nahe zu bringen, war noch nie dabei,
wenn sich der österreichische Ex-Freund, vor der erzkatholischen, portugiesischen Oma, aufgrund der Sprachbarriere einen Blowjob, statt einem Kaffee bestellt.
Oder deiner Mutter, trotz Germanistik Studium, der Unterschied, zwischen schwul und schwül nicht ganz klar ist.
Da ist das Wetter schnell schwul und dein bester Freund schwül. Bei uns wird das Brot auch nicht aufgetaut, sondern aufgetaucht.
Meine Mutter ist aus Portugal. Eine Südländerin, wie man sie sich vorstellt. Klein, sehr dunkel, laut und emotional, nur ihre akkurate Art und Pünktlichkeit wollen nicht so ganz dazu passen. Und wie es sich für den Süden gehört, zählen gefühlte 100 Menschen zur „engeren“ Familie. Mein Vater ist der „klassische“ Deutsche. Groß und blond. Eher eine kühle, distanzierte, sehr rationale Person. Eine Familienstruktur, bestehend aus fünf Leuten. (Anm. ich habe einen Bruder) Alles sehr klischeehaft, muss ich zugeben.
Tja, und dann bin da ich. Eine Mischung! Nichts Halbes und nichts Ganzes. Von Allem etwas. Südländisch sehe ich nicht sonderlich aus, vor allem dann nicht, wenn meine Haut länger kein Sonnenlicht mehr gesehen hat. Mein Herz trage ich oft auf der Zunge. „Laut“ ist mein zweiter Vorname und jedes Gespräch wird wild gestikulierend untermalt.
Dem steht meine Angewohnheit, Entscheidungen rational zu fällen, krass gegenüber.
So richtig klar, wurden mir die Unterschiede erst, als ich vor ein paar Jahren nach Österreich gezogen bin. Die meisten meiner Kollegen – mittlerweile gute Freunde – sind aus Innsbruck. Hier wurde ich zum ersten Mal mit der konkreten Herkunftsfrage konfrontiert. „Bisch du a Deitsche? Du bisch so andersch wie die „normalen“ Deitschn!“
Zwar bin ich im Besitz eines deutschen Passes, sage aber nie, dass ich aus Deutschland bin, sondern betone stets, dass mein Geburtsort Bayrisch-Schwaben ist. Warum ich darauf so viel Wert lege, erschließt sich mir selber nicht so ganz. Ich fühle mich einfach nicht als „Deutsche“. Hochdeutsch zu sprechen und es zu hören, klingt in meinen Ohren irgendwie unnatürlich. Beim Fußball bin ich nie für “ Die Mannschaft“. „Nachhat bisch a Portugiesin?“
Komischerweise bezeichne ich mich durchaus als Portugiesin. Ohne regionale Zugehörigkeit. Das Meer ist meine große Liebe und für die „Seleção“ wird auch mal der Fernsehr angeschrien. Dennoch habe ich beide Staatsangehörigkeiten.
Als was bin ich denn nun? Diese Frage hat mich gerade in letzter Zeit häufiger beschäftigt. Insbesondere nachdem ich auf offenen Rassismus gestoßen bin.
Ich hatte auf portugiesisch mit meiner Mutter telefoniert. Davon fühlte sich ein Herr mittleren Alters und mit fragwürdigem sozialem Hintergrund, derart belästigt, dass er beschloss, mich zu beschimpfen. Ein demütigendes Gefühl. Ich kannte sowas nur aus Erzählungen meiner Mutter, als sie als scheiß Ausländerin beschimpft wurde.
Sie solle in die Gaskammer gehen. Dabei schob sie mich im Kinderwagen vor sich her. Immerhin wurde ich nur aufgefordert, dahin zu gehen wo ich hergekommen sei. Aber wo genau ist das denn eigentlich?
Und dann gibt es für mich da noch den eigentlich schwierigsten Punkt. Die Familie. Eigentlich die zwei Familien.
Den Wünschen und Bedürfnissen beider gerecht zu werden. Bis zu meiner Schulzeit, verbrachte ich jede freie Zeit in Portugal. Heute versuche ich zwei Mal im Jahr dort zu sein. Oft ist da nicht. Natürlich verpasse ich viel und so habe ich immer das Gefühl, ich würde sie im Stich lassen. Ganz besonders spürte ich das, als mein Großvater verstarb. Ich konnte nicht dabei sein. Für die deutsche Seite muss meine Sehnsucht,nach der portugiesischen, ein dauerhafter Schlag ins Gesicht sein. Vor allem aber, als meine ersten Worte keine deutschen waren.
Viele beneiden mich um die Tatsache, dass ich bilingual aufgewachsen bin, an zwei Orten, in zwei Kulturkreisen.
Natürlich hat das auch Vorteile, aber eben nicht nur. Ich selber fühle mich immer irgendwie zerrissen. Der tägliche Spagat zwischen zwei Familien. Und die ständige Frage, wo bin ich her?
Es mag unverständlich sein, vielleicht verstehen mich auch nur jene, die in der selben Situation sind. Denen, denen auch, eine eindeutige Identität fehlt. Vielleicht sollten wir aber auch einfach aufhören nach einer konkreten Antwort zu suchen und sein wer immer wir sein wollen!
Foto (c) Abhijeet RaneOhne Titel, flickr.com

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