Die wilde Frau als Künstlerin

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Dass Felix Mitterer fast jedes Jahr in verschiedenen Rollen die Klaviatur der Tiroler Volksschauspiele rauf und runter spielt, ist wohlbekannt. Etwas weniger bekannt ist, dass seine frühere Frau Chryseldis für das alljährliche Schauspielspektakel ebenso unabdingbarer war: Seit den 80er Jahren, als Hall noch der Hauptschauplatz war, gestaltete sie jene Plakate, die in Tirol zur Festspielzeit kaum zu übersehen waren. Ja, richtig. Das war bevor sie entbehrlich wurden.

Schaupiel in der Villa

Passend zur ersten Premiere am Samstag wird ihr jetzt in der pittoresken Villa Schindler eine Ausstellung gewidmet. Und zwar keine wahllos zusammengewürfelte Retrospektive, sondern mit Schwerpunkt auf eine aussterbende Gattung: Das Künstlerplakat – in Telfs äußerst spannend mit dem jeweiligen Originalgemälde kombiniert, das oft winzig klein ist und an mittelalterliche Miniaturen erinnert.
Gestern wurde die Ausstellung in einem proppenvollen Haus eröffnet – genug Freunde und Verehrer, die auch eine weite Anreise ins einzige Oberländer „Kulturkaff“, wie wir es liebevoll nennen, in Kauf nahmen. Das Land Tirol glänzt wie so oft durch Abwesenheit, die Künstlerschaft ziert sich ein wenig. Aber auf die offizielle Zuneigung kann man gut und gerne verzichten, wenn es so viel echte gibt.
Chryseldis’ langjährige Freundin Agnes Büchele sieht von kunsttheoretischem Blabla ab und erinnert sich in ihrer Eröffnungsrede einer starken, lebensfrohen, ungewöhnlichen Frau, die faszinierte, wo immer sie sich zeigte. Ein weiterer Fall von einer Künstlerin, in der sich Person und Werk nur schwer voneinander trennen lassen.

Von Idolen und solchen, die es werden wollen

Der Name „Chryseldis“ stand für sich und war weder auf den einschlägigen Mädchennamen „Hofer“ noch auf den Namen des berühmten Gatten „Mitterer“ angewiesen. Zu der Zeit, als der junge, noch weitgehend unbekannte Felix Mitterer sich nach eigenem Literatenzeugnis in ein Selbstbildnis seiner Zukünftigen verliebte, war Chryseldis in Landeck schon eine Institutition. Sie warf damals bereits einen großen Schatten und stand trotzdem in der öffentlichen Wahrnehmung irgendwann in seinem.
Den Text und seine Verbindung zum Bild hat sie nicht erst in der Künstlerehe entdeckt. Chryseldis war eine große Erzählerin, die sich niemals den Mund verbieten ließ: Unweigerlich politisch, eine Frau mit Temperament, aber auch einer intensiven Nähe zur Mystik. Die Texte, die ihre Malerei ursprünglich inspirierten, waren religiöse: Heiligenbiografien, Legenden, Gebete.
Die Arbeit, mit der sie ihren aufsehenerregenden Abschluss an der Kunstakademie hinlegte, drehte sich um Franz und Clara von Assisi. Das war nicht die Bigotterie einer Oberländer Wirtstochter, sondern das tiefe Bedürfnis nach echten „Idolen“ (die ja nichts anderes als Bilder sind), in einer Welt, in der man so etwas bitter nötig hat.
Eine Kämpferin muss man sicher sein, wenn man in Tirol als Künstlerin bestehen will. Farbe, Leinwand und Buntglas sind ausdauernde Waffen. Als ihr Protektor, der Telfer Altbürgermeister Kopp sein erstes Bild von ihr kaufte, verschwieg Chryseldis ihm, dass sie nicht einmal mehr Geld für ein Abendessen hatte. Aber schon wenig später konnte sie, man glaubt es kaum, von ihrer Kunst leben. Dafür verantwortlich ist wiederum eine Frau, die Landecker Galeristin Monika Lami, die sich ab den 1970ern intensiv und vorbildhaft der Oberländer Künstlerschaft angenommen hatte.

Ein Biotop für die Kunst

Wenn wir schon keine eigene Kunstakademie zustande bringen, können wir es Künstlern und Künstlerinnen (letzteren ganz besonders) vielleicht etwas leichter machen, im Heiligen Land ein halbwegs gutes Leben zu führen. Wir haben nicht viele. Die, die wir haben, werden älter und sterben. Und ohne Kunst und Künstler wollen wir wirklich nicht sein.
Die Ausstellung ist während der Volksschauspiele, also bis Ende August, täglich von 16-20 Uhr zu besichtigen, im September jeden Dienstag von 10-13 Uhr und jeden Donnerstag von 18-20 Uhr.
Am 30. August um 19.00 widmet Felix Mitterer Chryseldis eine Lesung vor Ort.

Titelbild: (c) Jakob Pfaundler

1 Comment

  1. Ich danke für den Hinweis auf die Ausstellung! Ich habe Chryseldis persönlich viel zu verdanken, da sie mich vor zehn und mehr Jahren sozusagen unter ihre Fittiche nahm … unsere gemeinsamen Gespräche, Ausflüge und Reisen gehören mit zu den schönen Erinnerungen an meine Anfänge in der sogenannten Tiroler Kunst- und Literaturszene; ich bin auch dankbar für ein kurzes Treffen, dass ich wenige Wochen vor ihrem Tod mit ihr in Hall hatte, und bedauere, dass ihr die Aufmerksamkeit erst jetzt zuteil wird, welche ihr in den letzten Jahren abhanden kam. Jedenfalls, danke für den Hinweis auf die Ausstellung von Chryseldis!

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