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Tourismus vs. Kunst — Ein nicht erschienener Leserbrief

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Der Tourismus ist in Tirol alles, die Literatur nichts. Trotzdem wirft der Tourismusverantwortliche der Tiroler Landesregierung den Autor:innen unmäßige Vorteilsannahme-Gelüste vor.

Unter dem Titel „Dann schreibe ich ein Buch“, publizierte der Leiter der Tourismusabteilung des Landes Tirol in der Tiroler Tageszeitung vom 4. Februar einen Gastkommentar, in dem er meinte: Ich bin kein Skifahrer. Ich könnte die Freizeit nutzen, ein Bühnenstück oder ein Buch zu schreiben“ – nämlich um der Tourismusabgabe zu entgehen, wie es Barbara Hundegger und zuletzt wieder Felix Mitterer (und nebenbei auch viele Wirtschaftstreibende) gefordert haben. Weiters führt der Beamte aus: „Ist die Aufmerksamkeit dann groß genug, schmücke ich mich mit dem Attribut Künstler. Dies entzieht mich sogleich irdischen Maßstäben und meine Darbietungen werden von Gemeinden, Städten, Land und Tourismusverbänden kräftig finanziell unterstützt.“ Es folgen dann weitere Sottisen gegen Felix Mitterer und dass dieser für sich als Künstler unmäßige Bevorzugung durch Erlassen der Tourismusabgabe fordere.

Hier hat jemand den alten Größenwahnsinn des Touristikers, der hierzulande genau solche übermäßige Bevorzugung für sich selbst (nicht zuletzt in Form von besagter Tourismusabgabe) einfordert, offenbar verinnerlicht und zugleich ein weiteres prägnantes Beispiel für unsere „Kulturnation“ auf politischer Verwaltungsebene geoffenbart. Dieser Gastkommentar hat einen Leserbrief der IG Autorinnen Autoren Tirol inspiriert, den ich, da die TT ihn offenbar für nicht veröffentlichenswert hält, hier zugänglich machen möchte.

Bitte schreiben Sie einmal ein Buch!

Sehr geehrter Herr Dr. Föger, 

als Landesbediensteter brauchen Sie weder Schifahrer noch Schriftsteller zu sein. Aber wir erwarten von Ihnen, dass Sie diese Tätigkeiten dennoch mit dem ihnen gebührenden Respekt behandeln. Wir sind überzeugt, dass Sie die Mitglieder des ÖSV-Kaders nicht als Hobbyschifahrer:innen bezeichnen würden, auch wenn diese nicht ständig Stockerlplätze einfahren, und dass Sie sich auch nicht anmaßen würden, eine einzige von deren Trainingseinheiten durchzustehen. Wir sind überzeugt, dass Sie, sollten Sie einmal versuchen ein Buch zu verfassen, das Schreiben nicht mehr als lustiges Hobby bezeichnen würden, nachdem Sie damit monate-, wenn nicht jahrelang über viele Stunden täglich mit Nachdenken, Recherche, Formulieren, einen Verlag Finden, das Buch Bewerben … verbracht haben, um letztlich dafür satte 1,50 bis 2,50 Euro brutto pro verkauftem Exemplar zu verdienen. Wir möchten dezidiert festhalten: In der Kunst und Kultur Arbeitende schmücken sich nicht mit einem Attribut, sie arbeiten dafür. Diese verbale Degradierung der hiesigen Autor:innenschaft und damit aller in der Kultur Arbeitenden weisen wir entschieden zurück. 

Und wir glauben, Sie verwechseln da auch etwas: Wir Autor:innen würden liebend gerne für die Gagen der vom Tiroler Tourismusverband bezahlten Werbefachleute literarisch tätig sein, doch leider lebt in Ihrem wie in vielen Köpfen noch das Bild der Künstlerbohême des 19. Jahrhunderts weiter. Doch wir Künstler:innen wollen keinen schönen Operntod an Auszehrung sterben, wir wollen für unsere Mühsal, die der Gesellschaft Freude und Nachdenkimpulse schenkt, wenn schon nicht ordentlich bezahlt, dann doch wenigstens geachtet werden. Und wir bitten Sie auch zu bedenken, dass die Welt ohne Tourismuswerbung jahrtausendelang ausgekommen ist, nicht jedoch ohne Kunst, und dass Felix Mitterer, den Sie verschämt nicht nennen, aber doch meinen, viel für die Bewusstseinsbildung für einen nachhaltigen Tourismus in unserem Land getan hat und seine Satire schon ehemals der Destination Tirol mehr Aufmerksamkeit gebracht hat als Ärgernis.

Also bitte: Schreiben Sie einmal ein Buch, und dann reden wir weiter!

Lina Hofstädter
Wolfgang Nöckler
Siljarosa Schletterer 

IG Autorinnen Autoren Tirol

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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