Osttirol: So hat man eine Kuh noch nie gesehen

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Osttirol, das ist die reinste Pampa. Denken viele Nordtiroler. Damit haben sie gar nicht einmal so unrecht. Doch genau darin liegt der Reiz dieser Region. In der Pampa vergeht die Zeit merklich langsamer. Der Alltagsstress beschränkt sich auf wenige Stunden am Tag. Zumindest dann, wenn man als gestresster Nordtiroler zu Gast sein darf. Hier beginnt der Süden; prangt am Stadtschild von Lienz. Stimmt. Wer sich hierher verirrt, macht in wenigen Stunden eine kleine Weltreise.
Ramona Waldner hingegen hat eine große Weltreise gemacht. Die junge Osttiroler Fotografin – Menschen erzählen sich, sie sei circa 30 – legte in den letzten Jahren tausende von Kilometer zurück. Und dies nicht etwa, weil sie auf der Suche nach sich selbst, sondern „auf der Spur der Rinder“ war. Österreichs Bio-Pionier, Ja! Natürlich- und Zurück zum Ursprung-Erfinder Werner Lampert höchstpersönlich hat die Osttiroler Fotografin auf die Reise geschickt. Für sein 2015 im Servus-Verlag erschienenes Buch Unberührte Schönheit – Reisen zu den ursprünglichen Kühen der Welt benötigte der gebürtige Vorarlberger nicht nur seltene Rinderassen und Geschichten über diese, sondern stimmungsvolle, einfühlsame und berührende Bilder. Ramona Waldner sollte sie ihm schenken.
Überhaupt scheint die Osttirolerin den gesamten „Arbeitsauftrag“ als eine Art Geschenk verstanden zu haben. Bei ihrem (Bilder-)Vortrag, den sie am 15. September 2017 beim Unterwirt in Oberlienz vor mehr als 150 Personen hielt, viel das Wort „Danke“ jedenfalls auffällig oft. Danke für die tolle Organisation. Danke für diese einmalige Chance. Dankbarkeit spürte man aber auch in jeder Sekunde ihrer Erzählung gegenüber ihren Models – den seltensten Rinderrassen dieser Erde. Hoch hinauf bis nach Tibet. Tief hinein in den Urwald von Kambodscha. Weit runter bis nach Patagonien und rüber nach Alaska jettete die 30-jährige Osttirolerin, um die seltenen Tiere vor die Linse zu bekommen und gekonnt zu inszenieren.
„Ich bin immer wieder gefragt worden meine Fotografien herzuzeigen und von den Reisen zu erzählen – and now i jump above my shadow “ – schreibt die, fast schon schüchtern, auf Facebook. Doch das oftmalige Nachfragen hat sich gelohnt. Die Bilder, die an diesem Freitagabend in den Ställen der Unterwirts ausgestellt wurden, haben sich diese Aufmerksamkeit mehr als verdient. Kontrastreich sind sie. So kontrastreich, dass man als gesättigter, österreichischer Beobachter mit den Protagonisten ihrer Bilder viel Mitgefühlt entwickelt und kontrastreich, weil die Bilder fast surreal, fast gezeichnet wirken. 
Ramona Waldner hat nicht nur unglaubliche Strapazen auf sich genommen, wie im Vortrag eindrucksvoll beschrieben. Nein. Sie hat Bilder – von überall auf der Welt – mit nach Hause gebracht, die vor allem eines zeigen. Erst die tiefe Verbundenheit mit der Natur erlaubt es dem Menschen diesen Erdball zu bewohnen. Ob im hintersten Asien, im tiefsten Afrika oder im kältesten Nordamerika, die Liebe zum Tier und zu diesem vermeintlich „alltäglichen“ Rindviech, ist der Nährboden für unser aller Existenz. Auch wenn das bei uns schon viele vergessen haben.
Auf der Spur der Rinder klingt unheimlich banal. Doch es zeigt einmal mehr. Gerade in der Pampa lassen sich oft die schönsten Schätze finden. Nicht nur seltene Rinderrassen. Nein. Auch junge, hochtalentierte Fotografinnen, die einem bäuerlich geprägten Oberlienz einen kulturellen Hochgenuss bescheren, der in der weit entfernten Landeshauptstadt Innsbruck auch nicht oft vorkommt.
Intim. Sympathisch. Kontrastreich. Die Arbeiten von Ramona Waldner. Ausgestellt Mitte September 2017 in Oberlienz.
P.S.: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte? Mag sein. Dieser Text hat aber „eh“ nur 536. 😉

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Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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