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Schreib-Bloggade

2 Minuten Lesedauer

Mit neuen Medien entstehen immer auch neue Literaturformen. Das geschieht nicht radikal, sondern allmählich, wiewohl gewisse Ereignisse sogenannte Medienschübe auslösen können. Als ausgestorbenste und sowohl für Autor als auch Leser anstrengendste Form gilt momentan der Essay. Er ist eine Kunstform, die abgeschlossen ist, worin aber Neues ausprobiert werden soll. Über die Auswirkungen eines Essays darf vortrefflich diskutiert werden, der Essay selbst ist eine unantastbare Kunstform.

In entwickelten Kulturen wird die Souveränität eines Kunstwerkes deshalb gewürdigt, in Österreich freilich mit seinem nicht ganz entwickelten Kulturbewusstsein streicht man fallweise sogar die Bundeshymne zusammen, wenn genug Einträge dafür im Netz sind.

Ein Blog ist ein Medium, worin sich auch Essays sehen lassen können. Dabei sind diverse Reaktionen, Einträge und Kommentare erwünscht.

Die Nutzer dieser Blogs sind freilich oft Opfer einer Medienkultur, in der nichts mehr gelesen, dafür aber aus dem Bauch heraus gekläfft wird. In diesem Gebell geht die Absicht des ursprünglichen Essays leicht unter, und man wünscht sich, diese Kommentatoren hätten eine „Schreib-Bloggade“ und nicht der Autor, der sich bedrängt und benässt fühlt wie frisch von einem Hund angemacht.

Wir Essay-Künstler haben eine große Bitte an unser Publikum: Bitte schreibt erst dann, wenn ihr auch gelesen habt. In einer Zeit, wo es jede Menge Schreibwerkstätten und nichts über das Lesen gibt, ist das ein scharfer Wunsch!

Kunst kann ein Hilfsmittel in der Psychiatrie sein, aber sie ist nicht die Psychiatrie. Der Essay ist also keine Couch und der Schriftsteller kein Psychiater, der diverse Blockaden des Unterbewusstseins behandelt.

STICHPUNKT 20|09, verfasst am 20. April 2020

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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