Generation Weltverschwörung!

17. März 2022
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Das titelverliebte Österreich wird seine mannigfaltige Sammlung an akademischen Titeln, Amtsbezeichnungen und Ehrentiteln bald erweitern müssen. Unter die Hofräte und Doktoren des Landes werden sich dann so muntere Gesellen wie Prof. Youtube und Mag. Facebook mischen. Die Hürden für die hohen wissenschaftlichen Würden sind quasi abgebaut. Jede und jeder hat eine Quelle oder ist eine Quelle. Nach den Terroranschlägen im September 2001 haben nur ein paar ausgewählte Querdenker ihren Abschluss im Studienfach Weltverschwörung erworben. Mittlerweile ist das „fünfmal um die Ecke Denken bis man nicht mehr weiß, an welcher Ecke man abgebogen ist“ zum Hauptfach geworden.

Wer hört, verschwört!

Obrigkeitshörigkeit ist zum Inbegriff des Bösen geworden. Wer anderen Menschen glaubt, ohne jedes gesprochene Wort hinterfragt zu haben, wird als gutgläubiger Träumer abgestempelt. Wer anderen hinterherläuft ist ein willenloser Mitläufer. Wer das macht, hat nicht verstanden, dass sich unsere Gesellschaft der Gefahr der vollkommenen Vereinnahmung ausliefert. Um das zu verhindern, organisiert man sich bei Demonstrationen und läuft…ja genau…man läuft anderen hinterher. Man grölt lautstark Parolen…Parolen, die…ja genau…Parolen, die von anderen geschrieben wurden. Man greift Theorien auf…ja genau…Theorien, die von anderen in die Welt gesetzt worden sind. Auf wundersame Weise ist derjenige, der hört, auch derjenige der verschwört und derjenige der verschwört, ist derjenige, der hört. So schnell befinden wir uns also in einem Perpetuum mobile von Verwirrung und Verschwörung.

Nur mehr Einzelkämpfer?

Es ist ein schmaler Grat zwischen kritischem Denken und hinter jeder Ecke eine Weltverschwörung lauern zu sehen. Alles zu hinterfragen ist gut, aber so lange zu hinterfragen, bis man nicht mehr weiß, was die Frage war, ist kontraproduktiv. Um zu verhindern, eine andere Meinung aufzugreifen, bräuchte jeder Mensch eine ganz eigene, sich von allen anderen Meinungen unterscheidende, Meinung. Die Meinung würde zum Fingerabdruck, zum DNA-Nachweis der Diskussionskultur. Was vollkommen an den Haaren herbeigezogen klingt, ist nicht ganz undenkbar. Wir bewegen uns immer mehr darauf zu, dass niemand mehr irgendjemandem glaubt. Jeder will uns abzocken, jeder will sich bereichern auf Kosten anderer, überall lauern Gefahren. Wer so denkt, steht irgendwann ganz allein da. Wenn jeder so denkt, haben wir eine Gesellschaft von Einzelkämpfern.

Das Wir-Gefühl!

Es lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob wir seit der Coronapandemie eine zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft erleben. Unbestritten sind viele krude Theorien und ihre lautstarken Verbreiter zur Belastung geworden. Wer so verbissen nach dem Verborgenen, Versteckten und Geheimnisvollen sucht, dass er das Offensichtliche übersieht, ist auf einer außergewöhnlichen Form des Egotrips. Ein Wir-Gefühl zu haben, heißt nicht mit jedem auf Du und Du sein zu müssen. Vor allem unseren nachfolgenden Generationen müssen wir wieder beibringen – sei es daheim oder in der Schule – wie man Fakten checkt, von Meinungen unterscheidet, diese Meinungen einordnet und andere Ansichten gelten lässt. Bei vielen, durch die Straßen ziehenden Einzelkämpfern ist dieser Zug schon abgefahren. Sie sind längst auf die Verschwörung eingeschworen.

Politischer Mensch. Ausgeprägtes Bewusstsein für Umwelt, Ökologie und Gerechtigkeit. Hat Politikwissenschaften studiert. Arbeitet aktuell in der Politik. Auf Landesebene. Interessiert sich für Weltpolitik. Schreibt gerne Analysen.

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