Der Kommentar zwischen digital und analog

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Der Kommentar als Textsorte ist meist direkt und aus dem Bauch heraus. Der Kommentar aus journalistischer Sicht ist ein meinungsbezogener Text, der als solcher gekennzeichnet ist und den Autor namentlich nennt. Ein Kommentar ist heute aber noch viel mehr, grundsätzlich eine Art von Text, die besonders mit Aufkommen der Interaktivität im Internet eine beachtliche Wandlung durchgemacht hat. Der Kommentar oder vielmehr das Kommentieren ist nämlich zu einer der Lieblingsbeschäftigung des Durchschnittsusers geworden.
Wie nie zuvor, ist es möglich Meinung zu betonieren, nämlich als Statement etwa in sozialen Netzwerken oder den zahlreichen Interaktivitätsmöglichkeiten in Medien oder privaten Blogs. Die Folge? Noch nie ist man als Leser mit so unterschiedlichen und teilweise schockierenden Aussagen konfrontiert. Meinung existierte zwar gedanklich und manches Mal in mündlich vorgetragener Form aber seltener in schriftlich fixierter Form (wer verfasste schon Leserbriefe?). Heutzutage ist es grundsätzlich einfacher, seine Meinung buchstäblich unter jedes beliebige Thema zu setzen. Mitunter erscheinen in den digitalen Welten extreme und erschütternde Kommentare, in denen User beliebige Themen zum Politikum erklären. Nicht selten entsteht aus kleinen Statementlüftchen dabei ein ausgewachsener Shitstorm.
Aber wieso hat in unserer heutigen Welt denn eigentlich jeder etwas zu sagen? Ich meine zwischen eigenständigem Denken und dem Abwägen seiner Ideen und lauthals seine unbedachte Meinung kund tun, ist doch eigentlich ein großer Unterschied oder? Besonders verlockend an der heutigen Idee des Statements-Abgebens ist die Anonymität und die Distanz, die im digitalen Bereich vorherrscht. Seien wir mal ehrlich, würde jeder im öffentlichen Raum, in einer Diskussion derart unbedachte Meinungen auch mündlich äußern?

Zurück zum Analogen

Ich finde jene Menschen interessant, die diesen Trend z.B. auf künstlerische Weise aufnehmen und damit arbeiten und zwar in einer Weise, die zwischen analogem und digitalem Feld tänzelt. So gesehen und geliebt bei Barbara., die mit ihren pfiffigen Kommentaren den öffentlichen Raum bespickt und vor kaum einem Thema Halt macht. Sie hat sich diese Sucht wohl mehr als nur zu einem Hobby gemacht. Bei ihr manifestiert sich die Idee des Kommentierens als Sich-Aneignung des Raumes.
Berühmt wurde die Künstlerin ebenfalls über Soziale Netzwerke, auf ihrer Facebook-Seite folgen ihr aktuell an die 145.000 Interessierte, ein Buch gibt es auch bereits, wohl eher ein Bildband, der ihre Interventionen im öffentlichen Raum zusammenfasst. Das Neue ihrer Arbeiten: sie geht über Graffiti und Guerilla Knitting hinaus und erfindet es ist eine innovative und vor allem kluge Nutzung des uns umgebenden Raums.

Bild: Barbara. / Facebook
Bild: Barbara. / Facebook

Es geht um das Hinterlassen von Spuren

Barbara. beantwortet meine Fragen zu ihrer Arbeit bereitwillig und erklärt ihre Kommentare als Antworten auf die zahlreichen Gebote und Verbote, die der öffentliche Raum gegenüber den Bürgern ausspricht. Dabei begrenze sie sich auch gar nicht auf bestimmte Themen: „Der öffentliche Raum ist mein Spiel- und Arbeitsplatz und eine niemals versiegende Quelle der Inspiration.“ Was sie auch betonen möchte, ist, dass jeder eine Meinung zu den Dingen hat, die um ihn passieren; was man damit anfängt, ist jedem seine Sache. Barbara. hat für sich einen sehr persönlichen, oft ironischen und vor allem aber poetischen Weg gefunden.
Also, liebe Leser, weg von den Hate-Kommentaren und hin zu anspruchsvollem Mitdiskutieren! Also frei nach dem kürzlich verstorbenen Harry Rowohlt: Sagen, was man denkt aber zuvor was gedacht haben! Oder was meint ihr dazu?

Bild: Barbara. / Facebook
Bild: Barbara. / Facebook

Titelbild: Barbara. / Facebook

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