Europäische Theaternacht auf Arabisch

7 Minuten Lesedauer

Am gestrigen Freitag wurde ich von einer Freundin eingeladen bei der Generalprobe der Lesung „Der west-östliche Diwan – Orient trifft Okzident“ im Freien Theater Innsbruck dabei zu sein.
Neben dem Freien Theater bietet auch das Theater Präsent, das Tiroler Landestheater und das Westbahntheater am heutigen Samstag mit 400 Theatern in Europa diverse Attraktionen von Lesungen über nächtliche Führungen durch die Gebäude bis öffentliche Proben und eben auch den Schwerpunkt „Integration“ im Rahmen von Theater. Hier findet sich das Tirol-Programm.
Der Regisseur von „Der west-östliche Diwan – Orient trifft Okzident“, begrüßte mich herzlichst zusammen mit der gesamten Crew, bevor er sich selbst auf die Bühne begab um mitzulesen. Vier Syrer und vier Schauspieler lesen Texte diverser syrischer Autoren im arabischen Original und in einer deutschen Übersetzung sowie zwei englische Gedichte. Man will „der Schönheit der arabischen Sprache Raum geben“, wurde mir vorab erläutert. Die Gedichte sind sehr bildgewaltig und für unsere Gewohnheiten oft schwermütig und nicht ganz greifbar. So sehr ich Lyrik liebe, aber ich wurde schon auch etwas umgehauen. Nicht immer ist die Erzählform eine uns logische und sofort spürbare. Die Texte reichen von kritisch-politisch bis feministisch. Viele gängige Klischees eines unreflektierten, obrigkeitshörigen Islams versucht man hier zu durchbrechen. Der beeindruckenste Text war für mich „Der Brief einer dummen Frau“, die sich selbst als jene bezeichnet und der Obrigkeit eine Nachricht zukommen lässt. Sie verwendet die Sprache, die eine elitäre Männerkaste benutzt oder vielleicht nur denkt, um ihnen einen Spiegel vorzuhalten. Mit derselben Härte wie Frauen oft als Sexualobjekt wahrgenommen werden, schießt sie diese zurück und erläutert, dass am Ende des Tages nicht die Frauen die bemitleidenswerten Wesen sind, für die sie so viele männliche Obrigkeit halten. Umrahmt wird das Ganze von syrischen klängen, zweier Musiker.
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Als ich zur Probe kam, wusste ich überhaupt nicht was mich erwartet. Meine Intention war, vorab etwas über die „Europäische Theaternacht“ zu schreibe. Weder sagte mir meine Freundin den Titel, noch dass es ums Thema „Flüchtlinge/Integration“ geht. Wie so viele, bin auch ich bei diesem Themenkomplex überfordert. Ich sehe mir auch seit mehreren Wochen kaum noch Nachrichten an. Ob das der richtige Weg ist, sei mal dahingestellt. Aber ich fragte mich, was mein Mehrwert ist, wenn mir die „Zeit im Bild“ jeden Tag in 80% ihrer Sendezeit sagt, dass tausende Flüchtlinge in Nickelsdorf, in Spielberg oder wo auch immer kommen. Viele Beiträge der letzten Monate sind eins zu eins austauschbar. Und anstatt meine Zeit täglich für einer 40-Minütigen „Sonder-ZiB“ herzugeben, die mir nichts Neues erzählt, sollte man vielleicht wirklich lieber mit den Ankommenden Theaterspielen und musizieren.
Der Regisseur lud mich ein im Anschluss mit den vier Syrern zu sprechen und diese Gelegenheit nahm ich war. Während der Performance überlegte ich mir, was ich denn fragen würde. Ich wollte irgendetwas neues, etwas Positives erfahren. Am Ende fragte ich sie, was denn ihr schönstes Erlebnis heute war und wo sie sich in der schönsten aller Welten in zehn Jahren sehen. Meine Frage wurde nicht von allen sofort verstanden. Wenn ich fragte, ob sie gerne wieder in ein friedliches Syrien zurückkehren wollen, spürte ich Angst. „No – the police is searching me“. „But there is no police who is searching you in a better Syria”, antwortete ich. Ich merkte, dass meine Intention nicht ganz verstanden wurde. Kurz kam vielleicht der Gedanke bei ihnen auf, ich will sie mit dieser Frage motivieren sofort zurückzukehren. Das war mir etwas unangenehm. Es zeigte mir aber, dass die Vorstellung, dass es in Syrien irgendwann wieder schön sein könnte, in deren Augen unmöglich ist – und deshalb sind sie heute hier.
Elias antwortete, dass er heute und eigentlich immer glücklich ist, wenn er Musik-spielen darf. Auf die Frage „Wo siehst du dich in zehn Jahren?“, kam: „On the stage!“.
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Mulham erzählte mir erst was er im Moment im Leben macht und hatte Schwierigkeiten sich eine schöne Zukunft vorzustellen. Als ich dann sagte: „You can be everything you want, an actor, president – it doesn’t matter” – “An actor and my family is in Austria”, kam dann.
Giwan ist seit 11 Monaten in Österreich, spricht wenig Englisch, dafür aber wahnsinnig gut Deutsch.
Sein Highlight heute war „Frühstücken mit Freunden in meiner Wohnung“. In zehn Jahren will er Dolmetscher sein und weiterhin Theater machen und vielleicht in Zukunft arabische Gedichte ins Deutsche übersetzen.
Das letzte Statement des Musikers war „today i enjoyed the rain an in ten years I’m touring through europe!”
Ob diese Lesung die Welt rettet, sei mal dahingestellt, aber ich habe hier Menschen kennengelernt. Die Komplexität der Lyrik zeigt wieder einmal, dass es die einfachen Lösungen nicht gibt. Bevor man heute Abend aber „Sonder-ZiB“ schaut, empfehle ich ins Theater zu gehen. Dort versteht man auch nicht alles, aber man merkt zumindest, dass man in Europa keine Angst haben muss, denn am Ende wird in Freude getanzt…

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