Vom Zustand der Welt und dem Konzert von LANIA

7 Minuten Lesedauer

LANIA und die kleine heile Welt


Tags darauf sind die Befürchtungen wahr geworden. Donald Trump ist der neue Präsident der USA. Drohende Atomkriege werden herbei geschrieben, Frauenrechte unter seiner Präsidentschaft abgeschrieben und ganz grundsätzlich wird mit der altbewährten „Dummheits-Keule“ geschwungen. Neben echter und verständlicher Betroffenheit hat diese nicht zuletzt die Funktion, die eigene moralische und intellektuelle Überlegenheit zu demonstrieren. Nein, man ist kein weißer Arbeiter aus der amerikanischen Peripherie. Und ja: Bildung, Kunst und Kultur können uns retten und zu besseren Menschen machen, die anders und richtiger entschieden hätten.
Dienstags gegen 20:00 war die Welt aber noch heil. Und wunderbar klein. Eine in Tirol verwurzelte und sozialisierte Band durfte das Treibhaus bespielen. Das blieb nicht ohne Folgen. Vornehmlich erkennt man die Herkunft der Band daran, dass man so viele Bekannte trifft wie sonst nur selten. Man begrüßt sich, schüttelt Hände, klopft sich auf die Schulter, freut sich über ein Wiedersehen nach eh schon viel zu langer Zeit.
Zeitgleich fiel in Innsbruck zumindest die Welt der gemütlich-beschaulichen Großstadt Wien ein. „Voodoo Jürgens“, nach Wanda der nächste Hype der nicht auf musikalischer Qualität sondern auf Image und Inszenierung basiert, spielte im vermutlich völlig überfüllten „Weekender“. Damit ließ sich leben. Mittelmäßige Musiker sind schließlich die eine Sache, größenwahnsinnige und demagogische Präsidenten der mächtigsten Nation der Welt eine gänzlich andere.
Sowohl anstehende Wahlen als auch mediokres Singer-Songwriter-Austropop-Getue waren zum Glück bei LANIA ganz weit weg. Man hatte es sich im Treibhaus-Keller gemütlich gemacht. Es gab keine strikte und militärische Reihe-um-Reihe Bestuhlung, sondern Tische an die man sich tunlichst setzen sollte. Dem Socializing kann das nur gut tun. Schließlich war es dabei einfach Leute kennen zu lernen, falls es tatsächlich der Fall sein sollte, dass man jemanden der Anwesenden hier noch nicht kannte.
Auf der Bühne hatte man sich Kerzen angezündet, Mikrophon-Ständer, Schlagzeug & Co. waren zudem chic mit Lichtlein verziert. Zur inszenierten und forcierten Kuschel-Atmosphäre kamen allerlei Geschichten, die sich über die Sängerin Stefanie Fettner aufschnappen ließen. Schließlich kannte so mancher Gast die Stefanie schon länger. Seit sie ein kleines Kind war. Und jetzt stand sie plötzlich, so mir nichts dir nichts, auf der Bühne und erwies sich auch noch als herausragende Sängerin.


Luftig-leichter Groove und Heilsversprechen


„Airy“ heißt das aktuelle Album von LANIA. Es ist randvoll mit schönen Jazz-Pop-Nummer, vorgetragen von Könnern. Der Titel beschreibt die Stimmung des Albums treffend. Ein wenig schwebend ist diese Musik in der Tat. Federleicht. Genau diese Ästhetik und Intention stellte Stefanie Fettner dem Konzert voran. Wann habe man sich schon zuletzt leicht gefühlt? Auch die jeweiligen Lieder erklärte sie. Dabei ging es um Menschen, die wie Bäume den Umständen und Widrigkeiten des Lebens trotzten und standhielten. Um ewig währende Liebe. Oder auch einfach nur ums Tanzen und Spaß haben.
Damit einher geht eine Art von Heilsversprechen. Macht euch locker. Folgt eurer Intuition. Wartet nicht ab, sondern ergreift die Initiative. Das kann man authentisch nennen. Schließlich merkte der Bassist der Band, Klaus Telfser, im Verlauf des Konzert an, dass Stefanie Fettner genau diese Rolle in der Band einnehme. Sie sei die „Zündschnur“ der Band, die viele Sachen initiierte und möglich machte.
Im Laufe des Abends entwickelte die Musik, dank der nicht zu unterschätzenden Musikalität der Band, tatsächlich eine sanftes, aber intensives Fließen. Es wurde, zu Recht, mit Füßen gewippt und dezent mit Köpfen genickt. Mach einer war gar textsicher und murmelte die optimistischen Texte gekonnt mit. Laute Mitsing-Passagen wurden aber vermieden. Gut so. Denn dazu wäre die Musik dann doch zu fragil gewesen, bei aller hemdsärmeligen Mach-Endlich-Was-Lyrik.
Ja, der Abend war musikalisch ansprechend und schön. Als die Kerzen auf der Bühne ausgeblasen waren standen zwei Optionen zur Verfügung. Man konnte zur Band gehen, die aktuelle CD kaufen und plaudern. Alle Bandmitglieder mischten sich bereitwillig unter die gekommenen Gäste, die zu einem guten Teil aus Bekannten und Freunden bestanden. Man konnte aber auch etwas verstohlen und unbemerkt aus dem Treibhaus schleichen und auf den Boden der Tatsachen zurückkommen.
Morgen Früh würde man mehr wissen. Womöglich würde Donald Trump Präsident sein. Ob es da helfen würde locker zu sein und seiner Intuition zu Folgen? Ob das Individuum wirklich so frei war, wie es die Musik von LANIA und vor allem die Texte suggerierten?
Nein, Musik muss nicht politisch sein. Und ja, sie darf einem Augenblicke der Entspannung bieten und Hoffnung geben. Aber muss sie nicht auch Haltungen zur Welt mitgeben? Eine schwer zu beantwortende Frage. Womöglich ist die Musik von LANIA aber auch schon eine Reaktion auf die Komplexität dieser Fragestellung und die zunehmende Unübersichtlichkeit der Dinge? Es  geht um Rückzug, Freundschaft, Hoffnung. Um die eine, noch heile Welt. Man gönnt sich ja sonst nichts und hat ansonsten im Moment wenig zu lachen mit dieser Welt.


Zum Reinhören


Titelbild: (c) Patrick Saringer

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

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