Ein Hoch auf den Salon!

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Der Salon ist wahrscheinlich der Raum im adeligen und bürgerlichen Heim, dem wir – was die Kunst angeht – am meisten verdanken. Er ist geschützt und privat, aber nicht ganz intim, und damit, zumindest für gewisse Formate, der einzig geeignete Rahmen. (Nichts gegen episches Theater oder Woodstock.)
Ohne Anna Amalias Weimarer Musenhof hätte Goethe vielleicht doch Jurist werden müssen. Schubert hätte ohne die von seinen Gönnern veranstalteten Schubertiaden in Wien wohl kaum so ungeniert viel komponieren können. Weder Gertrude Steins Künstlersalons noch jene der Bloomsberries um Virginia Woolf und Vanessa Bell möchte man missen.


Dem Künstler auf die Finger schauen


Und wenn etwa, wie vergangenes Wochenende, der junge Amerikaner Andrew Tyson seine Interpretation von Chopins Preludes in einem solchen Rahmen zum Besten gibt, ist Chopin wieder da, wo er hingehört. Das ist in der Wirkung nicht zu unterschätzen: Jedes Kunstformat, die E-Musik vielleicht besonders, richtet sich an ein bestimmtes Publikum und ist – schon allein der Akustik wegen – für bestimmte Orte gut geeignet, für andere weniger.
Der knapp über 30-jährige Tyson ist außerdem ein Pianist, dem man wirklich gerne zusieht, weil er so unendlich auf die Musik konzentriert ist und als Person trotzdem nie hinter ihr verschwindet. Das sind Details und Nuancen, die in jedem größeren Rahmen verloren gehen würden.
Bei allem Respekt für das Genie preisgekrönter Musiker – und Andrew Tyson hat eine ganze Reihe internationaler Spitzenpreise eingeholt – sind sie auch Handwerker, denen man auf die Finger schauen möchte, wenn sie ihre Arbeit machen, um zu verstehen, was das für eine grandiose Arbeit da geleistet wird.
Außerdem: Es macht eine andere Stimmung, wenn ein Pianist nach dem Konzert nicht gleich hinter der Bühne verschwindet, sondern noch ein wenig unter seinem Publikum herumflaniert , Kuchen isst und mit einer Beethovenbüste kokettiert.
Für sein Gastspiel in der Villa Schindler hatte Andrew Tyson außer den vielseitigen 24 Chopin-Preludes auch Barockes (Scarlatti) und Modernes (Ravels Miroirs) auf Lager. Vor allem die Miroirs, die ehrfurchtgebietend komplex sind, beherrscht er nicht nur mit Präzision, sondern auch mit viel Charakter.
Als er dann als Zugabe noch einen kurzen Gershwin spielt wird deutlich: Dieser Pianist kann mit der Moderne umgehen, er kann sie sich wirklich zu eigen machen. Das ist schon sehr fortgeschrittenes Handwerk und auch Genie.


Brauchen wir so etwas wie einen Salon überhaupt noch?


Auch wenn er nachweislich mit der Moderne kompatibel ist, stellt sich natürlich die Frage, ob sich das Konzept des Salons auch der Postmoderne stand hält.
Ist der Salon nicht vielmehr heillos unzeitgemäß?
Nein und ja. Nein, weil das Handwerk an sich, und auch das des Konzertpianisten ist schließlich Eines, nicht mehr zeitgemäß ist und gefördert gehört. Annemarie Fisch-Schindler, die die Villa aus Familienbesitz 2014 der Gemeinde Telfs schenkte, tut genau das – und lädt seit Jahrzehnten als leidenschaftliche Mäzenin, bevorzugt junge, außergewöhnliche Musiker mit Persönlichkeit ein.
Und ja weil der Salon natürlich auch etwas sehr Elitäres ist und dem Ideal der Sozial Media – alles für jeden – absolut entgegen läuft. Aber wer sagt, dass alles zeitgemäß sein muss?
Für die nächste Saison Musik in der Villa Schindler, die im September anläuft, wäre ein Studentenangebot eine schöne Sache. Damit würde das Format „Salon“ auch für junge Musiker und Musikwissenschaftler leistbar.
Denn – wer weiß, vielleicht etabliert sich das Format wieder. In so anstrengenden und herausfordernden Zeiten wie diesen gibt es wenig Schöneres, als sich in einem kristallüsterglänzenden Salon bei guter Musik, angeregten Gesprächen und einem guten Glas Wein ein wenig zurückzuziehen. Um dem Abgleiten ins Biedermeier vorzubeugen, kann man ja einfach die Tür einen Spalt offen lassen.
Die Musiksaison in der Villa Schindler ist mit Andrew Tyson zu Ende. Besuchen kann man sie aber doch: Vor Kurzem wurde dort eine Ausstellung mit Werken des Tiroler Künstlers Sepp Schwarz eröffnet, die äußerst sehenswert ist.


Zum Reinhören


Titelbild: (c) Privat

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