Wo die Ideen blühen #10: Zauber des Sozialen

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Es ist Sonntag halb acht morgens. Drei Mädels und zwei Jungs steigen in den Bus. Ob die wohl grad von einer durchzechten Nacht heimkommen? Alle haben sie Arbeitsmappen dabei. Glauben die, dass Montag ist? Nach sieben Stationen steigen sie aus. Haltestelle „Klinik/Universität“. Durch das Busfenster sehe ich, wie sie vor der Landesbibliothek eine andere Gruppe Leute begrüßen. Die Menschentraube bewegt sich Richtung Glastür und wartet gemeinsam mit einem weiteren Duzend. Es ist Fünf vor Acht. „Die gehen jetzt echt alle in die Bib?“ Ich starre erstaunt aus dem weiterfahrenden Bus. Zehn Stunden später, gleiche Buslinie, andere Richtung finde ich ebenfalls eine Menschenmasse vor dem Tiroler Literaturtempel. Zuhause setze mich an meinen vereinsamten Schreibtisch, schalte die Tischlampe an und lausche der unglaublichen Stille. Plötzlich überkommt es mich. Nie konnte ich verstehen, wie man das Gewurl, die Massen, die stehende Luft und das mentale Legebatterien-Ambiente der Bibliothek einem frisch durchlüfteten, mit seiner Lieblingsmusik und köstlichen Speisen aller Art umrahmten Heimarbeitsplatz vorziehen könne. Dann erfasst es mich. Ich schnappe meine Bücher, reiß das HDMI Kabel vom Bildschirm aus meinem Laptop und zieh den coolen Pulli an. Ich dachte immer, es gehen nur die Leute in die Bibliothek zum Arbeiten, denen die Disziplin fehlt, zu Hause zu produzieren. Doch ich wurde soeben betört vom Zauber des Sozialen. Leider schließt die Bibliothek sonntags immer schon um sechs.

Titelbild: (c) Pexels

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