Wer sich über Beamte beschwert, ist selbst ein fauler Sack!

5 Minuten Lesedauer

Über die Zeit hat sich das einfach so eingebürgert. Alle 60 bis 90 Minuten klopft es an meiner Bürotür. Ich sage laut „ja“ und weiß was ansteht: Die Rauchpause (ich bin Nichtraucher!). Eine der schönen Seiten der Selbstständigkeit, ist die Tatsache, dass man sich nicht darum scheren muss, was andere von einem denken, wenn man regelmäßig Pausen einlegt. Es existieren keine Neider, keine Arbeitskollegen die anfangen zu lästern, sobald man an ihnen vorbeigeht und den Rücken zuwendet, keine Chefs deren Augen immer länger und die Blicke immer finsterer werden. Ich mache meine Pausen dann wenn ich sie brauche und das ist alle 60 bis 90 Minuten, wenn es an der Türe klopft.
Als freier Autor arbeite ich für viele unterschiedliche Auftraggeber. Dabei verbringe ich viele Stunden in Agenturen oder Büros. Auch wenn ich dort nur sporadisch auftauche und gleich nach den Meetings wieder abhaue, gelingt es mir dennoch einen Blick hinter die Kulissen, einen Blick auf den Mikrokosmos Office-Alltag zu erhaschen. Meist passiert es kurz vor der Verabschiedung, wenn man gerade dabei ist die üblichen Höflichkeitsfloskeln auszutauschen. Irgendwo in Türnähe sind sie meist zu finden: die Zeiterfassungssysteme, die die herkömmliche Stechuhr ersetzt haben. Heutzutage sind sie digital, in schickem Design, wirken freundlich und beinahe sympathisch. Doch der Schein trügt: das Gewand mag zwar ein neues sein, doch der Zweck bleibt der alte – Arbeitszeit erfassen, Mitarbeiter kontrollieren. Virtuelle Fußfesseln eben.
Anfangs war ich überrascht. Immerhin dachte ich, Agenturen wären kreative Orte, für kreative Menschen, mit kreativen Arbeitsweisen. Und für Kreativität braucht es schließlich Freiheit und nicht sekundengenaues Tracking meiner Anwesenheit. Ich dachte in Kreativberufen geht es um das Ergebnis und nicht um den Weg dorthin. Mittlerweile habe ich es verstanden. Die Sicherheit geht vor. Nicht nur beim intimen Beisammensein, sondern auch beim geschäftlichen. Ein Chef will schließlich wissen wo seine Angestellten umgehen. Er ist es, der am Ende den Gehalt bezahlt und dafür gerade stehen muss, wenn der Lohn nicht mehr bezahlt werden kann. Wer das Risiko hat, der wird sich doch auch ein wenig Sicherheit holen dürfen. Arbeitszeit ist Arbeitszeit und Pausen sind Pausen. Pausen werden nicht bezahlt. Nur ehrliche Arbeit. So ist das eben. So funktioniert der berufliche Kosmos. So funktioniert eine gesunde Volkswirtschaft, und aus!
Gestern war ich dann kurzzeitig etwas durcheinander. Immerhin meldeten diverse Medien die selbe Nachricht: Beamte erhalten offiziell bezahlte Mittagspause. Was? Wie? Wo? Nach näherer Betrachtung ergab das Ganze dann aber doch Sinn. Ein beamteter Briefträger klagte hier lediglich sein gutes Recht ein. Wie bitte kommt er dazu, dass er seine wohlverdiente Mittagspause, so wie alle Vertragsbediensteten in der Freizeit konsumieren muss? Sorry! Aber der Mann hat Recht. Rechtlich zumindest. EU-Arbeitszeitrichtlinie und Bundesverwaltungsgericht ermöglichen das. Nach sechs Stunden Arbeitszeit sei  eine 30-minütige Pause zu machen. Und diese Pause, die laut Beamtendienstrecht „zu gewähren“ ist, ist zwingend zu bezahlen. So einfach ist das. Jetzt verstehe ich auch, wieso im Staatsdienst so exakt gestempelt wird. Dass hier nur ja niemand länger als sechs Stunden arbeitet und dabei auf seine Pause vergisst!
Auch bei näherer Betrachtung halten die gesetzlichen Bestimmungen und ergeben durchaus Sinn. Warum Angestellte in der Privatwirtschaft unbezahlt ihr Mittagessen in sich reinschaufeln müssen und Pausen nicht gleich Arbeitszeit sind, haben wir ja bereits geklärt. Es gibt einen Chef der das Risiko trägt. Im öffentlichen Dienst gibt es zwar auch einen Chef, dessen Risiko betrifft aber lediglich seine Karriere und nicht seine Existenz. Warum sollten Beamte also gleich leiden müssen, wie die anderen?
Abgesehen davon – ich darf mich nicht beschweren. Immerhin sind auch meine Pausen bezahlt – zwar aus meiner eigenen Tasche, aber sie sind bezahlt. Und Entschuldigung. Pausen sind wirklich nicht gleich Pausen! Denn dank geistreicher und produktiver Diskussionen mit meinem Büronachbarn , sind sie meist auch Arbeitszeit. Verdammt. Ich hör mich schon an wie ein Beamter! Gott sei Dank klopft es an meiner Türe. Rauchpause! So komme ich nicht dazu mir weitere Gedanken zu machen und kann den Fall ad acta legen.

Hier geht es zu den vorherigen Folgen der Kolumne "Kleingeist und Größenwahn" 

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

1 Comment

  1. Zeiterfassungssysteme sind eine Erfindung des Teufels und die Online-Versionen davon sind auch noch Zeitfresser. Der Erfolg einer Privatfirma hängt wesentlich von motivierten Leuten und einem guten Arbeitsklima ab und nicht vom Nachweis einer bestimmten Stundenanzahl an Anwesenheit.
    Und überhaupt könnten wir die Standard-Vollzeitwoche auf 35 Std. (mit bezahlter 1/2 STd. Pause) oder 30 Std. (ohne) herabsetzen, das gäbe gleich ein paar Arbeitsplätze mehr.
    Schwierig nur: Was machen Freiberufler? Aus meiner Erfahrung in dieser Zunft weiß ich, dass es so etwas wie eine Standardwoche eh nicht gibt.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.