Stolz, trotz Bachelor!

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Dieser Text wurde zuerst in der UNIpress veröffentlicht.


Im Land der Titelgeilheit, in dem Regierungsrat, Hofrat und Kommerzialrat regieren und Ehefrauen von Ärzten mit „Frau Doktor“ angesprochen werden, kam die Anpassung der akademischen Titel einem Erdbeben gleich. Aufgeregte Eltern griffen zu ihren Haustelefonen und beteten ihre Kinder an, ja schnell zu studieren, um nicht auf die neue Studienordnung umgestellt zu werden. „Ja, der Maxi ist jetzt Magister“ geht bemühten Eltern eben leichter von den Lippen, als „Mhm, der Maxi ist jetzt Bätschla, also mit fertigem Studium, also fast, er macht schon noch den Master, aber eigentlich ist er schon fertig, genau!“
Nachdem die ersten Eltern-Kind-Telefonate beendet waren, ging das große Rechnen los. Früher hieß der Kurs BWL 2, der hatte 6 Semesterwochenstunden, das sind … wie heißen diese Punkte nochmal? ECDL? Nein. ECTS. 6 Semesterwochenstunden, mit einem Proseminar von 2 Stunden die Woche, sind dann laut neuer Studienordnung … wer soll sich da bitteschön auskennen? Wer diese erste Rechenhürde genommen hatte, auf den wartete umgehend die nächste. Wie viele Semester, inklusive Toleranzsemester, darf ich für mein Studium noch brauchen, um in meiner alten Studienordnung bleiben zu können und nicht umgestellt zu werden?
Die Angst ging um und trieb manche, sonst so entspannte Gemüter, schier in die Verzweiflung. Umgestellt zu werden – das war das Böse. Gott sei Dank besann sich die HochschülerInnenschaft ihrer ureigenen Aufgabe und versuchte zu helfen. Das Böse sollte möglichst rasch entmystifiziert, die Vorurteile widerlegt und die Gerüchte zerstreut werden.
Eine Telefonumfrage war das probate Mittel. Doch die Ergebnisse – ernüchternd. Von zehn Unternehmern, konnte einer etwas mit dem Titel Bachelor anfangen, zumindest tat er so. Die restlichen Neun erzählten irgendetwas zwischen „Nö, noch nie gehört“ und „Ist das sowas wie die Matura?“ Der Bachelor war also noch nicht angekommen in der Alpenrepublik. Er hatte noch einen langen Weg vor sich, eine PR-Tour, die bis heute noch nicht beendet ist.
Mittlerweile hat sich die Aufregung ein wenig gelegt. Der Bachelor hat Studentenproteste, Klagen, besorgte Eltern und Bummelstudenten überlebt. Die ersten Gesellenjahrgänge haben die Brutstätten des Wissens bereits verlassen und kämpfen am freien Markt um die wenigen, begehrten Stellen, Einstiegsgehälter in Höhe von 1.800 Euro brutto inklusive. Selbst die hartnäckigsten Studien a la Jus und Wirtschaftsrecht knicken langsam ein. Der Bachelor hat alles fest im Griff.
Ein wunderbarer Zeitpunkt also, um sich ein wenig Gedanken darüber zu machen: Ist der Bachelor nun endlich angekommen oder sind es die Vergesslichkeit und Trägheit des Menschen, dass sich niemand mehr darüber beschwert? Wie immer, liegt auch hier die Wahrheit wahrscheinlich in der goldenen Mitte. Die große Panik ist jedenfalls verraucht. Die Angst vor der Umstellung ist gezwungener Maßen vorbei. Es ist keine Schande mehr, dass der eigene Sohn oder die eigene Tochter „jetzt Bachelor“ sind. Studium ist Studium und das dürfen die Verwandten und Nachbarn ruhig wissen.
Während die Imagepolitur in Sachen Selbstverständnis also zumindest ansatzweise gelungen sein dürfte, sieht das am freien Markt ein wenig anders aus. Hier scheint der Bachelor zwar auch nicht mehr unbekannt oder gar verpönt zu sein, aber hoher Stellenwert sieht anders aus. Der Bachelor ist eben noch kein Magister und auch kein Doktor. Es fällt leicht, motivierte Jungakademiker im (Lohn)Preis zu drücken, wenn man Bachelor mit „gut ausgebildete Billigarbeitskräfte“ übersetzt.
Die Frage nach dem Stellenwert des Bachelors innerhalb der Gesellschaft also recht schnell beantwortet. Ja, Eltern können stolz auf ihre Kinder sein, wenn sie nach (mindestens) drei Jahren mit einem Abschluss nach Hause kommen. Ja, der Bachelor ist eine solide akademische Ausbildung auf der man aufbauen kann, wissenschaftlich und beruflich. Ja, der Bachelor hat eingeschlagen und funktioniert. Genauso wie es sich anno 1999 die 29 europäische Bildungsminister und ihre Berater aus der Wirtschaft erhofft hatten. Vergleichbare, ergo bewertbare und austauschbare, an strenge Systeme und Stress gewöhnte, solide ausgebildete Jungakademiker sind eben das Material mit dem es sich gut wirtschaften lässt.
Doch wir können durchschnaufen. Denn letztlich ist es sch…egal ob der Titel für den Studienabschluss nun Bachelor, Master, PhD, Magsiter oder Doktor heißt. Den Wert bestimmen wir noch immer selbst. Auch wenn es einem das eigene Umfeld und diverse Jobausschreibungen nicht glauben lassen wollen, nicht der Titel an sich zählt, sondern was man daraus macht. Also mal lieber zurücklehnen, zwei Bücher mehr lesen, als es die ECTS Punkte verlangen, miteinander diskutieren, Projekte starten, Bier trinken und träumen. Das gehört nämlich genau so zu einer universitären Ausbildung. Und zwar schon deutlich länger, als es den Bachelor gibt.
Foto (c) Leonid Mamchenkov, „Taxi„, flickr.com

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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