(c) Helmuth Schönauer

Der Morgenmoderator (13)

4 Minuten Lesedauer

Ein Sonntag in Pension hat auch seine Schattenseiten. Es fängt meist damit an, dass die Verrentnerten schlecht schlafen, was letztlich tagsüber dazu führt, dass die Sonntagsfans im Stundentakt enttäuscht werden. Jeder Sonntag nämlich stellt sich als etwas durch und durch Banales heraus.

Afta Grins war im aktiven Dienst sogenannter Morgenmoderator beim lokalen Rundfunk. Er hat seine Sendungen immer mit „No milk today“ begonnen, was ihm den Ruf eines Melancholikers ohne jeglichen Tiefgang eingebracht hat, die ideale Voraussetzung für eine Moderation im öffentlich rechtlichen Bereich.

Eine Zeitlang hat man ihn noch aus der Sendung „Leck Tirol“ heraus angerufen, um ehemalige Fans mit ihrem Star für ein paar Sätze kurzzuschließen, aber mittlerweile kennt keine Sau mehr den legendären Afta Grins. Und er selbst vergisst allmählich, was er im aktiven Dienst eigentlich gemacht hat.

In der langen Nacht auf den Sonntag freilich kommt es ihm. Er kann nicht schlafen und lässt ständig Harn, um sich die Zeit bis zur Morgen-Signation von „Leck Tirol“ zu versüßen.

Und dann ist sie endlich da, die Signation! 

Sonntag bei Sonne im Gebirge!

Der Regionalfunk schleicht sich über den After an, das Stereo an den Hämorrhoiden wirkt stimulierend.

Die Nachrichten:
Der Sportartikelhandel bezeichnet den aktuellen Verkauf als durchwachsen.
Beim Schifahren besteht ein gewisser Aufholbedarf, weil die Leute allmählich Longcovid abschütteln und wieder auf die Piste drängen.
Aber beim Tourengehen und Langlaufen ist noch die Handbremse gezogen, was die Sportgeräte betrifft.

Leider gibt es wieder jede Menge von alpinen Schi-Unfällen, die durchwegs mit Fahrerfluchten enden.
Die Polizei ersucht Sie generell, Fahrerfluchten auf der Piste zu melden. Die Täter sollen sich nach Möglichkeit stellen, auch wenn sie schon abgefahren und im Hotel sind.

Natürlich bleiben uns dieses Wochenende die Lawinenabgänge nicht erspart.

Besonders deprimierend ist jener Fall, wo eine Familie viermal abfahren musste, ehe sie jene Lawine auslösen konnte, die sie gebucht hatte. Die Familie aus Dänemark wurde schließlich ordentlich verschüttet und ordnungsgemäß geborgen.

Das Gefühl am Hintern übermannt Afta Grins, nicht die Musik bringt die Tirolernden am Sonntag in Schwung, sondern das Schifahren ist es, das das Land veredelt.

Eine Zusatz-Moderatorin beginnt ihre Verkehrsmeldung für Menschen außerhalb der Piste: Keine Störungen, Sie kommen außerhalb der Pisten überall störungsfrei voran!

Und auch die Wetternudel gibt ihren Wettersenf dazu: Sie können die Schneeschaufel in der Garage lassen, es bleibt bis Mittwoch trocken.

After Grins bedauert kurz sein dienstliches Leben. Er hätte weniger von der Milch spielen sollen, dafür mehr von den Schiern. Dann würden sich die Menschen vielleicht heute noch an ihn erinnern.

Jetzt freilich setzt der Sonntag brachial ein: Das gute Gefühl am After, der soeben regional bespielt worden ist, geht über in einen Krampf am Harnapparat.

STICHPUNKT 24|02, geschrieben am 2. Jänner 2024

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.