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The gods are on the mountains

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Diesen Satz hörte ich zum ersten Mal von einem Musiker aus der Karibik, der sich an unserer Tiroler Bergwelt nicht sattsehen konnte.

Ja, die mächtigsten Götter residierten in der menschlichen Vorstellung, in den großen Mythenerzählungen, immer schon hoch oben am Berg, dem letzten festen Punkt unter dem Himmel. Das gab die heiligen Orte vor: den Olymp, später die Gipfelkreuze in den Alpen. Das schuf die Form der zum Himmel aufragenden Minarette und der Kirchtürme, später die Raiffeisentürme, Bankhochhäuser und Penthouses für Möchtegern-Götter. Und es ist vielleicht auch kein ganz abwegiger Gedanke, dass deshalb die Skylines neureicher Staaten alle irgendwie den Kalkkögeln ähneln. Womöglich aus ebensolchen Gründen hat uns der Anschlag auf die Türme des World Trade Center stärker erschüttert als der gleichzeitige Angriff auf das nur fünfstöckige Pentagon. Im Ersteren waren schließlich die ganz wichtigen Götter mit ihrer Entourage beheimatet, in Letzterem bloß die der Unterwelt.

Und womöglich wollte deshalb der kleine René aus Tirol nicht mit den daheim vorhandenen Bergen Vorlieb nehmen, sondern musste sich in seiner Hybris zuletzt auch noch das Empire State Building als Göttersitz erkaufen. Der Turmbau zu Babel mit seinem dystopischen Ende bietet den Kommentar zu solcher Anmaßung. Man braucht bloß die Sprachverwirrung mit der Verwirrung von Finanzbeziehungen gleichzusetzen, welche zurzeit die global vorherrschende lingua franca darstellen. (Natürlich nur für die Mächtigen. Für den Rest der Weltbevölkerung eine lingua obscura.)

Da lobe ich mir dann doch unsere Bergwelt, den Olymp des kleinen Mannes! Diesen Göttersitz kann – gutes Schuhwerk und Ausdauer vorausgesetzt — jeder erklimmen. Die Wege hinauf sind zwar mühsam, aber beschildert für den, der die Zeichen lesen kann. Und die Alpenvereinshütten bieten Platz für viele Ein-Tages-Götter.

Doch nun sollen gerade diese himmlischen Einrichtungen an ein paar fehlenden Millionen scheitern, die an anderer Stelle großkopferten Pseudo-Gipfelstürmern bedenkenlos zur Verfügung gestellt werden?! Sollen die kleinen Leute keinen Steig in den Himmel mehr finden?

Die Forderung muss lauten:

Jedem Bürger sein Berg! Jeder Bürgerin ihren Steig! Jedem Wanderer ein Platz in einer Schutzhütte! – Für alle das Recht auf einen Tag Göttlichkeit!

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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