(c) Markus Stegmayr

„Lágrimas Negras“: Tanzcomeback zwischen Altbewährtem und Neuanfang

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Die große Rückkehr von Enrique Gasa Valga ist im Innsbrucker „Congress“ über die Bühne gegangen. In dem Tanzstück „Lágrimas Negras“ wird mit Körper- und Musikmitteln recht linear und sehr allgemeinverständlich erzählt: Nämlich von Kuba, vom Leben des Musikers Bebo Valdés und natürlich nicht zuletzt – wenn auch implizit – von Gasa Valga selbst.

Mit „Lágrimas Negras“ hat Gasa Valga nunmehr den relativ geschützten Rahmen des Tiroler Landestheaters verlassen, in dem er über ein Jahrzehnt schalten und walten konnte. Einige Tänzerinnen und Tänzer nahm er mit, einige neuen kamen dazu. Die Gründung der Tanzcompany „Limonada“ folgte, dahinter steht bekanntlich die „La Limonada Event GmbH“, bei der auch Christian Steinmayr, ein langjähriger Freund von Gasa Valga, mit an Bord ist.

Daran lässt sich zweierlei ablesen: Es soll nicht „nur“ getanzt, sondern in verschiedenen Settings auch veranstaltet und künstlerisch gestaltet werden. Das aktuelle Tanzstück ist somit eine Art Feuerprobe, bei dem die Tragfähigkeit dieses Konstrukts unter Beweis gestellt werden soll.

Tatsächlich zeigten diese neuen Vorzeichen erste wirkungsvolle Ergebnisse. Im ansonsten mittel-charmanten, eher kühlen „Saal Tirol“ ragte die Bühne weit hinein ins Publikum, der Raum wirkte dadurch verändert. Simple Bühnenelemente gaben dem Ort eine neue Atmosphäre, Lichteffekte sorgten für verschiedene Stimmungen, jede Menge Trockeneis-Nebel verklärte das Geschehen auf der Bühne und ließen es zum Teil leicht surreal anmuten.

Letzten Endes war es aber größtenteils doch nur ein neuer Rahmen für künstlerische Entscheidungen, die bereits bekannt und natürlich bei weiten Teilen der Innsbrucker Tanzöffentlichkeit beliebt sind. Gasa Valga hat seinen Pool an Tanzbewegungen nicht groß erweitert, sondern fischt in diesem Möglichkeitsraum auf altbewährte, gekonnte Art und Weise. Vieles war beim Tanzabend effizient und hatte immer noch einen gewissen Zauber, einiges war tänzerisch virtuos und der emotionale Ausdruck dabei fast immer am Plafond.

Damit erfuhr man, neben der durchaus anrührenden, generationsübergreifenden Geschichte der Familie Valdés auch einiges über den Choreographen Gasa Valga. Gasa Valga, der Innsbruck partout nicht verlassen wollte, setzte gewissermaßen auf Kontinuität, die man ihm wahlweise als Beharrlichkeit oder auch als Sturheit auslegen kann. Fakt ist jedenfalls, dass seine konstante künstlerische Vorstellung im aktuellen Rahmen mit neuer Firma und neuer Tanzcompany wohl zur vollen Blüte gelangen könnte.

Die Andeutung solcher Möglichkeiten ging im „Congress“ vor allem von der famosen kubanischen Live-Band aus, bei der sich etwa ein grandios spielender Cucurucho Valdés zu wahren Piano-Höhenflügen aufschwang. Dieses Live-Element ließ viel Interaktion zu: Zwischen Publikum und Band und nicht zuletzt zwischen Band und Tänzerinnen und Tänzern. Man konnte aufeinander reagieren, den einen oder anderen kleinen Freiraum nützen und ganz generell die Live- und Leibhaftigkeit des Geschehens noch einmal argumentieren.

Das Zuschauen und Dabeisein machten dann auch in der Tat Freude. Einige Passagen waren mitreißen, packend, ansteckend. Anderes wieder verblieb zu sehr in der Gasa-Valga-Komfortzone. Die eine oder andere Hebefigur oder Tanzbewegung hatte man als Landestheater-Kenner unter seiner Tanz-Ägide schon fast zu oft gesehen. Auch strukturell war das Stück eher einfach, wenngleich auch breitenwirksam und allgemeinverständlich gestrickt. Tendenziell poetischen Duo- oder Solo-Passagen folgten meist „Gruppenaufläufe“, also große ekstatische Choreographien für die ganze Company. Somit konnte man in den zwei Akten und 17 kurzen Szenen keinesfalls verloren gehen und wusste bereits im Vorfeld, wohin die nächste Szene – zumindest in ästhetischer Hinsicht – wohl gehen würde.

Womöglich ist das aber auch eine große Stärke von Gasa Valga: Tanz für jederfrau und jedermann zu machen. Er, der Publikumsliebling, der seine Tanzsprache längst gefunden hat und diese jetzt voller Freude in anderen Kontexten wieder dem begeisterten Publikum zeigen darf. Die Freude beruhte auf Gegenseitigkeit, was auch die durchgehenden Stehovationen belegten.

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

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