Buchrezension: Der Mann, der kein Mörder war

4 Minuten Lesedauer

Immer wieder versuche ich es und immer wieder scheitere ich kläglich daran. Langsam sollte ich es akzeptieren. Es wird mir wohl nie gelingen eine Buchhandlung zu betreten, ohne sie mit einem Buch wieder zu verlassen. Ab und an beschert mir meine Bücher-Sucht kleine Schätze und Zeilen die ich sonst wohl nie gelesen hätte. Letztens wurde ich wieder überrascht – positiv überrascht.
Gerade in der Abteilung für Kriminal-Romane und Thriller quellen die Regale vor Büchern die gleich aussehen über. Rot. Weiß. Schwarz. Blut. Das sind die Zutaten mit denen die Cover derzeit zubereitet und zugekleistert werden. Irgendwie scheinen sämtliche Verlage dieser Welt der Meinung zu sein, dass diese Farbkombination besonders verkaufsfördernd sei. Anders kann ich  mir diese Masse an Uniformität nicht erklären. Als treuer Kunde greife ich dennoch zu. Letztens kurz vor der Kassa. Ein Buch genügt nicht. Kurz entschlossen, sollte es noch ein weiteres sein. Ein Schwedenkrimi. Ein Buch über einen „Mann der kein Mörder war.“ Vielleicht war es die Farbkomposition aus schwarz-weiß-rot, oder der widersprüchliche Titel – ich weiß es nicht mehr. Nachdem ich das Buch mehrere Wochen auf dem „Nachkastl“ schmoren habe lassen, habe ich dann doch reingeblättert und bin dem „Nicht-Mörder“ auf die Spur gegangen. Drei Nächte lang bin ich dran geblieben. Gefesselt und berührt.

Intelligent, unaufgeregt, erschreckend plausibel

„Der Mann, der kein Mörder war“ ist das Krimi-Debüt des Duos Michael Hjorth & Hans Rosenfeldt. Die beiden sind erfahrene Männer der Film- und Fernsehbranche und haben dort ihr Handwerk erlernt. Von daher verwundert es wenig, dass bereits die Mischung der Charaktere Spannung bietet. Zentrale Figur der Romanserie ist der intelligente und gleichermaßen unausstehliche Kriminal-Psychologe Sebastian Bergmann. Getrieben von seiner Sucht nach schnellen, oberflächlichen Bettbekanntschaften und zerbrochen an (s)einem Familientrauma, stapft er durch die Welt, analysiert präzise, jedoch ohne große emotionale Beteiligung und hält mit seiner Meinung selten hinterm Berg. Was andere dabei über ihn denken, interessiert ihn dabei wenig. Das restliche Ermittlerteam der Reichsmordkommission, welches übrigens erschreckende Ähnlichkeiten mit jenem aus der TV-Serie Criminal Minds aufweist, komplettieren ebenso spannende, wie widersprüchliche Charaktere. Allesamt Experten auf ihrem Gebiet und dementsprechend kompliziert.
Auf den Leser wartet ein spannender Fall, der von der ersten Sekunde an berührt. Wenn einem 16-jährigen Schüler eines Elite-Gymnasiums einfach so das Herz herausgerissen wird und der Leichnam in einem Sumpfgebiet versenkt wird, dann lässt das niemanden kalt. Nicht nur die liebvoll komplizierten und herzlich schroffen Charaktere geben der Geschichte einen besonderen Reiz. Die Handlung ist intelligent und trotz mehrfacher Wendungen und Überraschungen auffällig unaufgeregt. Die Ruhe der schwedischen Landschaft überträgt sich, trotz aller Gräueltaten, Geheimnisse und Widersprüche, nicht nur auf die Geschichte, sondern auch auf den Leser. Der Fall ist erschreckend plausibel, erschüttert und berührt aus eben diesem Grund. Wer also auf Spannung steht und für ein paar Stunden in den hohen Norden, voller Seen, Sümpfe, Wälder, kleiner Städtchen, geheimnisvoller Elite-Gymnasien und tollpatschiger Dorfpolizisten entfliehen will – der ist hier richtig.
Die Erzählweise mit wechselnden Schauplätzen und Sichtweisen verspricht Tiefe. Gedanken, Muster, Beweggründe und Abgründe der einzelnen Charaktere werden nachvollziehbar und weben ein Netz an Emotionen und Erkenntnissen, die einen bis zum Schluss in ihren Bann ziehen, aufmerksam lesen und sich schon nach wenigen Seiten als Teil des Teams fühlen lassen. Sebastian Bergmann und die Reichsmordkommission – wo geht’s zum nächsten Fall?

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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