„Call me Tschuggi“ oder als Michael Jackson auf den Tschirgant kraxelte

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Alle lieben Englisch. Dass „alle“ den Großteil aller Romanisten, Terroristen, Kommunisten und Pensionisten ausklammert, versteht sich von selbst. Und dass mit „Englisch“ nicht die personifizierte Langeweile — dargestellt von matten, knochigen Englischlehrerinnen, die mit Radios in der Hand durch Schulgänge schlurfen — gemeint ist, ebenso.

Nein, gemeint ist die Englische Sprache mit der wir tagein, tagaus konfrontiert sind. Während in Frankreich die Académie Française vehement probiert, den englischen Einfluss auf die französische Sprache zu verhindern, ist dieser in Österreich und Deutschland längst die Realität. Shitstorm, leaken, liken, hashtag, crowdfunding, gendern, half pipe, public viewing und eine Vielzahl anderer Wörter sind heute selbstverständliche Bestandteile im deutschen Wortschatz und deshalb im Leben vieler Menschen. Englisch ist somit schon lang keine Fremdsprache mehr. Englisch ist cool und wir lieben es. Für Kinder ist die Sprache der erste Vorbote einer Auseinandersetzung mit der „großen weiten Welt“ und Englisch macht uns mit dem Gedanken einer vernetzten, globalisierten und modernen Gesellschaft vertraut.

Doch bedenkt man die Popularität die das Englische bei uns genießt, so ist es erstaunlich, welch gravierende Mängel im Englisch der Deutschsprachigen auftreten. Dies betrifft nicht etwa Gespräche mit englischen Wanderern oder amerikanischen Snowboardern, sondern ganz besonders die vielen englischen Wörter in deutschen Sätzen. Diese werden zwar im Handumdrehen in unseren Wortschatz aufgenommen, doch Aussprache und Sprachmelodie scheinen nicht zu den Menschen durchzudringen. Kurz: wir geben uns keinerlei Mühe, englischen Wörtern das nötige Gefühl einzuhauchen. Denn wie jeder anderen Sprache, wohnt auch dem Englischen ein Charakter inne. Niemand würde auf die Idee kommen „Ciao Ragazzi“ ohne die notwendige, italienische Coolness auszusprechen. Im Englischen jedoch, fehlt dieses Phänomen nahezu vollkommen! Hier gilt es aufholen – und das möglichst shortly—without von delay!

Wer dies nicht tut, dem wird es wie Tirols Superstar Michael Tschuggnall ergehen. Nehmt euch seine Geschichte zu Herzen oder erfahrt die Tücken der englischen Sprache an euch selbst! Vor Jahren brechen Michael Tschuggnall und Michael Jackson gemeinsam zu einer Bergtour auf den Tschirgant im Tiroler Oberland auf. Sie kennen einander vorher nur flüchtig und so sagt Michael Tschuggnall, cool wie eh und jäh, please, call me Tschuggi. Tschuggi klingt hart — wie ein ein waschechter Tiroler eben zu klingen hat. Tschurtsche, Tschinelle, Tschuggi. In der Fachsprache heißen diese tsch Laute stimmlose, postalveolare Affrikate. Hinter dieser Bezeichnung steckt ein Prinzip, dem die meisten deutschsprachigen Kinder problemlos gewachsen sind. Tschu, tschu, tschu der Zug ist da. T und sch werden aneinander gereiht, die Bildung passiert hinter den oberen Vorderzähnen – die Zunge leistet Schwerstarbeit! Die Dominanz, die dieser Laut im Alpenraum hat, kann jedoch auch zum Verhängnis werden.

Michael Jackson erwidert — etwas zurückhaltend — please, call me Jacko. Tschuggi fühlt sich geehrt. Das J in Jacko ist jedoch eine Herausforderung für Tschuggi – und ist dies für alle Bewohner des süddeutschen Sprachraums. Wo im Hochdeutschen jetzt stimmhafte, postalveolare Affrikate verwendet werden, scheitert der Süddeutsche, der Westösterreicher und der Schweizer. Denn dass Dschungel einen anderen Anlaut als Tschuggi hat, fällt in ihm nicht auf. Wenn jedoch Tschuggi mit Michael Jackson auf Englisch spricht, fällt dies sehr wohl auf. Denn die stimmhaften Laute sind im Englischen von höchster Bedeutung. Jacko, Jim, Jimmy, DJ, Germany, Gentleman, Gender, Judge, Jessica, Jennifer und Jazz beinhalten alle, einen stimmhaften, sanften Laut. Die Stimmbänder müssen um die Wette schwingen und nun muss das d, im Gegensatz zum t in Tschurtsche, bewusst weich und sachte ausgesprochen werden. Warum? Alles andere ist peinlich und lässt uns klingen wie Nazis aus einer alten BBC Dokumentation. Man erinnere sich bloß an die Gruppenauslosung zur Fußballeuropameisterschaft 2008, die Rainer Pariasek, Sportmoderator des ORF, auf Englisch leitete. Wer dachte, die österreichische Nationalmannschaft würde für die Blamage des Turniers sorgen, hatte sich getäuscht!

Jacko und Tschuggi machen sich also auf den Weg und — wen wundert’s — kommen bald auf ihre Lieblingsmusik zu sprechen. Tschuggis absolutes Lieblingslied ist Sriller. Es heißt Thriller, sagt Michael Jackson. Raus mit der Zunge! Aber Tschuggi schämt sich. Am liebsten würde er das Thema wechseln und so hält er einen kleinen Vortrag über Österreich, den Nachbar Deutschlands in de sauf. Schon wieder wird er korrigiert und beginnt zu üben: Saufhämpton, Saufstriem, Saufafrica, saufseid festival. Jacko möchte Tschuggi helfen und fordert ihn auf, ihm nachzusprechen: with, this, that, the, think. Und raus mit der Zunge. Wis, dis, dät, se, sink. Da macht Tschuggi lieber eine Pause. Erschöpft setzt er sich zum Wegrand, öffnet seinen Rucksack und holt zwei Smoothies heraus. Einen reicht er Jacko, doch hält er jetzt den Mund. Schließlich hat der Smoothy ein Etikett, da sind Erklärungen überflüssig. Tschuggis Problem ist, dass es den th Laut im Deutschen nicht gibt und er deshalb nie gelernt hat ihn zu verwenden. Da muss er schon üben. Und bis wisaut zu without wird, wif zu with und de zu the wird, müssen noch einige Höhenmeter zurückgelegt werden.

Als sie sich wieder auf den Weg machen, erzählt Tschuggi vom schönen Tirol wo im Winter der Schnee im Tal glitzert. Nicht wie in Wien, denn in Vinter, Wienna is wery vindy! Leider weiß Tschuggi noch nicht, dass das w in winter wie ein deutsches u gebildet und auch so ausgesprochen wird. Uinter! Beim v in very hingegen, wird ganz einfach die Unterlippe an die Oberzähne gedrückt, wie im deutschen Wort wenn. Im Grunde genommen kennt Tschuggi ja beide Laute aus dem Deutschen: u und w. Er muss also nur daran denken, sie auch zu benutzen!

Endlich oben angekommen, lehnt sich Tschuggi ans Gipfelkreuz: What a few! Nein, Nein, sagt Jacko. What a view! Auch die Unterscheidung vom Englischen f und v ist wichtig! Das f ist ein harter Laut. Festival, fantastic, football. Im Gegensatz zum harten f, ist das v schon viel sanfter. Public viewing darf also nicht public fewing heißen! Ganz schön verflixt, die englische Sprache! Tschuggi jedoch, wird sie niemals meistern. Und ebenso wenig Tschuggis Kinder und Enkelkinder.

Das Erlernen einer neuen Sprache ist immer ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Zeitaufwand, Motivation und äußerste Genauigkeit sind zum Beispiel wesentliche Bestandteile die beim Lernen eine Rolle spielen. Besonders wichtig ist auch eine Lehrperson, die aller Facetten einer Sprache mächtig ist. Hört man jedoch genau hin, wenn junge Lehramtsstudentinnen auf Englisch sprechen, so kann man sich auf das Weiterbestehen der Tschuggnalls und Pariaseks verlassen. Denn wenn Universitätsprofessoren den Kopf schütteln über die Aussprache und Grammatikkenntnisse von angehenden Lehrerinnen (und diese sind zu 95% weiblich) so würde man wohl gern alle Kinder mit Jacko auf den Tschirgant schicken.

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