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Selbstbedienung

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Das Leben wird immer besser. Und leichter. Vor allem das Konsumieren wird uns immer einfacher gemacht, nicht wahr?

Früher musste man in die Stadt und ins Geschäft seiner Wahl pilgern, um das Gewünschte, sofern vorrätig, zu erstehen. Das dauerte dann mindestens zwei Stunden. Heute darf man entspannt die zwei Stunden zuhause im Internet nach dem Produkt suchen und aus tausenderlei Angeboten auswählen. Man scrollt dazu freudig unzählige Kundenbewertungen durch bis auf die letzte, vielleicht nicht gefakte, Meinung eines Käufers. Früher war das viel komplizierter: Man ging ins Geschäft seiner Wahl zum Verkäufer seines Vertrauens, ließ sich beraten und das Gewünschte aus dem Regal holen und verpacken. Manchmal wurde es einem sogar später nach Hause geliefert. Und wenn früher die Verkäuferin im Kleidergeschäft auf den ersten Blick erkannte, dass die Hose in Größe 36 nie und nimmer passen würde und uns dezent mit der Bemerkung „Das Modell ist aber sehr eng geschnitten!“ zur Anprobe gleich auch noch eine 40-er mitreichte, so dürfen wir uns heute die 36-er ganz selbstbestimmt liefern lassen, um sie daraufhin wieder einzupacken, den Rücksendeschein auszufüllen, den Gesamtrechnungsbetrag ev. neu zu berechnen und das – stets übergroße – Paket zur unerreichbar weit entfernten nächsten Poststelle zu tragen, dort in der Schlange zu stehen und dann, glücklich erschöpft endlich wieder zuhause, im Internet die nächste Hose zu bestellen – alles ganz eigenständig!

Auch der Möbeleinkauf ist so viel einfacher geworden. Wir dürfen das erstandene Ding ins Leihauto wuchten und daheim, mit Hilfe bester Freunde, in den 3. Stock tragen. Und den Gratis-Lieferwagen dürfen wir anschließend zurückfahren und uns im Möbelhaus von einem guten Freund abholen und wieder nach Hause bringen lassen, wo wir das Möbel nach nie richtig verstandener Anleitung und in manchmal nicht völlig exakt vorgebohrten Löchern schließlich zusammenschrauben. Reklamationen gibt es dabei nicht, denn wenn etwas nicht passt, hat man den Fehler ja immer selber gemacht.

Und erst beim Lebensmitteleinkauf, da ist jetzt auch alles so einfach! Wer erinnert sich nicht mit Schrecken an die alten Zeiten, als uns das Verkaufspersonal noch soundsoviel Deka von allem und jedem langwierig herauswog und jedermann verlangen konnte: „Von dem Weggen ein Viertel, und 2 Äpfel, aber eher kleinere, bitte! Ich nehm gern auch den angeschlagenen dort, halt zum halben Preis“, anstatt dass man, wie heute, billigerweise 2 für 1 automatisch im Angebot kriegt, die Doppelpackungen sportlich nach Hause schleppt, um sie anschließend zur Hälfte wegzuwerfen, was wieder Körperertüchtigung durch Müllkübelschleppen bedeutet. Oder erinnern Sie sich gar noch an den Großeinkauf in Sterzing vor dem EU-Beitritt, wo einem überfreundliches Hilfspersonal (womöglich prekär Beschäftigte?) die Waren hinter der Kassa ins Sackerl räumte? Da hatte man selbst ja rein gar nichts zu tun und keinerlei Überblick über das Gekaufte! Schlimme Zeiten waren das!

In Zukunft wird es noch einmal einfacher und besser für uns werden, wenn wir die Waren selber über den Scanner ziehen dürfen und der Preis gleich direkt vom Handy abgebucht wird. Wenn so jeder von uns ein bisschen mehr zupackt, verteilt sich die anstrengende Arbeit der Kassierin auf viele Schultern, wir Konsumenten bleiben körperlich fit, und zugleich bekommt die Handelskette als gratis Draufgabe unsere Daten und unser Kaufverhalten. Ich sag´s ja: Wenn diese Selbstbedienung keine eindeutige Verbesserung und Vereinfachung des Lebens für alle ist!

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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