Der syrische Bürgerkrieg, die Bündnisse und der Kampf gegen den IS

9 Minuten Lesedauer

von Alexander Hauser


Seit Jahren werden wir nun also täglich über Vorkommnisse in Syrien informiert, doch oft sind die Geschehnisse so verwickelt und so viele Parteien involviert, dass man irgendwann den Überblick verloren hat. Deshalb versuche ich in diesem Paper die wichtigsten Punkte verständlich zusammenzufassen. Dieser Artikel soll jedoch nicht das Leid und die Tragödie hervorheben und mit erhobenem Finger auf begangene Fehler hindeuten, sondern viel mehr versuchen, die komplexe Situation in Syrien so einfach wie möglich darzulegen und zu beschreiben.

Wer sind die Akteure in diesem Konflikt?

Selten war ein Konflikt so komplex wie jener in Syrien. Bündnisse überschneiden sich, Feinde verbünden sich, Verbündete kämpfen gegeneinander – wenn nicht direkt dann zumindest über 2-3 Ecken. Ursache dafür sind die verzwickten politischen und konfessionellen Konflikte, gepaart mit einer sozialen Ungleichheit, die ihresgleichen sucht.
Der erste und wichtigste polarisierende Faktor ist das Regime von Baschar al-Assad, dessen Familie Syrien seit nunmehr über 40 Jahren regiert. Assad hat einige Unterstützer, wie zum Beispiel Iran, Russland, Irak und die Hisbollah im Libanon, jedoch wohl global gesehen noch bedeutend mehr Gegner, unter anderem die USA (und ein Großteil des Westens), die Türkei und Saudi-Arabien.
Die Gründe Assad zu unterstützen sind unterschiedlich:
Russland möchte seinen Einfluss in Syrien nicht verlieren und kann auf eine enge Zusammenarbeit mit Assad bauen. Vor allem in Bereichen wie der Blockade des Öl-Pipeline-Baus durch Syrien, und des damit verbundenen Vermeiden der Verluste für die Gazprom, ist Baschar al-Assad Russland eine große Hilfe. Aber auch der strategisch wichtige Flottenstützpunkt Tartus und die grundsätzliche Ambition der Großmachtstellung Russlands spielen eine Rolle.
Iran gilt als der wichtigster Partner Syriens und unterstützt das Regime Assads zusammengerechnet jährlich mit Beträgen weit über 15 Mrd. USD (Sponsoring, Kredite, Öl, Militär, etc.). Zudem errichtete die iranische Regierung zahlreiche schiitische Religionsschulen, um ihren Einfluss nachhaltig zu sichern. Iran gilt als enger Verbündeter Syriens seit 1978, als sie zusammen mit der Hisbollah die „Achse des Widerstandes“ gegen den Westen und die israelische Außenpolitik gegründet hatten.
Die Gründe Assad stürzen zu wollen jedoch eindeutig:
Todeskerker und Folter, das Aushungern von rebellen-kontrollierten Gebieten (unter dem mehrheitlich Zivilisten leiden), der Einsatz von Giftgasen und Chemiewaffen (z.B.: Sarin-Angriff 2013 auf die eigene Bevölkerung – nie offiziell bestätigt, jedoch mittlerweile ohne Zweifel), Massaker, Hinrichtungen von Menschenrechtlern und Sunniten, Vergewaltigungen in Gefängnissen, Zerstörung von Hospitälern, et cetera…
Die Liste ist lang und die groben Menschenrechtsverletzungen Baschar al-Assads sind schwer von der Hand zu weisen. Jedoch nehmen manche Länder diese Verletzungen auch als Vorwand um ihre eigenen Interessen in Syrien durchbringen zu können (z.B. Saudi-Arabien und Katar, die selbst nicht zu den Hochburgen der Sicherung der Menschenwürde zählen).
Die Türkei ist Assad so massiv abgeneigt, dass sie eine Zeit lang sogar den IS unterstützen. Auch Saudi-Arabien und Katar gelten als Sponsoren des IS. Mittlerweile lehnt der IS allerdings das saudische Königshaus ab, was eine fortwährende finanzielle Unterstützung zwar in Frage stellt, jedoch nicht ausschließt.

Die Rebellen

Die „Rebellion“ ist nicht als einheitlich organisierte Armee zu verstehen, sondern hat sich aus einigen kleinen Rebellenmilizen gebildet. Es werden laufend neue Armeen gegründet und neue Allianzen geknüpft. Die derzeit schlagkräftigste Allianz ist die „Armee der Eroberung“ die von der Al-Nusra Front (der syrische al-Qaida Ableger) und der salafistischen Rebellengruppe Ahrar al-Scham geführt wird. Zu ihren Partnern gehört auch die relativ bekannte „Freie syrische Armee“, deren Einfluss und Schlagkraft nach Jahren des Bürgerkrieges extrem reduziert wurde.
Hier stoßen wir bereits auf den ersten massiv komplexen Konflikt: Teile der „Armee der Eroberung“ kooperieren mit der FSA, andere Teile bekämpfen sie. Der IS bekämpft die syrischen Rebellen und Assad – Teile der Al-Nusra Front sind oder waren aber Mitglieder des IS. Es ist daher extrem schwierig eine nachvollziehbare Nachrichtenübermittlung durchzuführen.
Neben dem Bürgerkrieg existieren jedoch noch weitere Konflikte die das Unterfangen zunehmend komplizieren:
Der Kampf gegen den IS bzw. der Versuch des IS ein länderübergreifendes Kalifat zu errichten und der Unabhängigkeitskampf der YPG für West-Kurdistan

Der IS

Der „Islamische Staat“ (IS), oder auch „Islamic State of Iraq and the Levant“ (ISIL) oder “Islamic State of Iraq and Syria/al-Sham (ISIS) hat sich als oberstes Ziel gesetzt, den Nationalstaat Syrien abzuschaffen und ein länderübergreifendes Kalifat zu errichten. Er hat sich aus einem Zusammenschluss von al-Qaida-nahen Alt-Dschihadisten entwickelt und findet seinen Ursprung nach dem Einmarsch der USA im Irak 2003.
Hauptsächlich übernimmt und plündert der IS von Rebellen kontrollierte Dörfer und Gebiete, jedoch kam es auch schon zu einem größeren Konflikt mit der syrischen Regime, welches sich aber aus dem Kampf gegen den IS raushält. Tatsächlich haben Assad und der IS mit den Rebellen einen gemeinsamen Gegner. Baschar al-Assad stellt sich jedoch in der Öffentlichkeit gerne als größter und mächtigster Gegner des IS dar.

Die YPG

Die YPG (Volksverteidigungseinheiten) sind eine kurdische Miliz in Syrien, die als syrischer Ableger der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) gilt und seit 2012 einige Gebiete im Norden Syriens kontrolliert. Diese Region nennen sie „Rojava“ (West-Kurdistan) und wollen im Endeffekt die Autonomie für diese Region durchsetzen. Dafür kooperieren sie beinahe abwechselnd mit Assad-Gegnern und Assad-Befürwortern, um vor allem gegen den IS bestehen zu können. Als bekanntestes Beispiel ist hier wohl „Kobane“ zu nennen. Die YPG erhält von der USA Unterstützung durch Luftangriffe, werden aber gleichzeitig von der Türkei bedroht. Jedoch: Die Türkei wiederum, ist durch das Nato-Bündnis ein Alliierter der USA.
Seit Sommer 2015 bombardiert die Türkei wiederholt Ziele der PKK im Irak und am Wochenende  (13. Februar) Kurden-Stellungen in Nord-Syrien. Größter Dorn im Auge der türkischen Regierung ist die PYD (Partei der Demokratischen Union), die damals 2011 die YPG gegründet hatte und nun von der Türkei in einer Anschlagserie von 50 Zielen innerhalb von 17 Stunden angegriffen wurde.
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Der Syrien Konflikt ist also nicht nur ein lokaler, sondern auch ein regionaler,  internationaler und transnationaler Konflikt. Vor allem ist er aber auf jeder dieser Ebenen in sich so komplex und verwickelt, dass eine Lösung dieses Konfliktes nur schwer herbeizuführen ist.


Anmerkung des Autors
Dieser Artikel soll nur eine kleine Zusammenfassung für jene Personen sein, die sich für die Konflikte in Syrien interessieren, aber nicht die Zeit hatten sich damit näher zu befassen.  Wie eingangs erwähnt ist der Syrien-Konflikt einer der komplexesten Konflikte mit denen ich mich jemals beschäftigt habe. Gerade deshalb habe ich einige Aspekte weggelassen oder weglassen müssen. Auf eine Prognose oder gar einen Lösungsvorschlag verzichte ich bewusst.
Artikelbild (c) Игорь М, Damascus, flickr.com

1 Comment

  1. Wieso wird dieser Konflikt so gerne als überaus komplex dargestellt?
    Der erste, beinahe einzige und wichtigste polarisierende Faktor ist nämlich Erdgas.
    Katar hatte 2009 eine Pipeline nach Europa geplant (Nabucco-Pipeline). Eine politische Initiative der EU, um die Diversifizierung der Gasversorgung zu erweitern und die Vormachtstellung von Gazprom zu reduzieren.
    Und zwar unter anderem über Syrien. Doch Assad sagte nein.
    Das war’s. Ausgangspunkt des Konfliktes. Völlig unkomplex.
    Auch danach wird es nicht sonderlich kompliziert, ausser man macht es kompliziert.
    Dadurch hilft Assad natürlich den Russen insofern, als er Erdgas aus der grössten erschlossenen Quelle der Welt nicht den Weg nach Europa schaffen lässt und Gazprom dort seine Vormachtstellung nicht verliert.
    Um Umweg über den Iran wäre denkbar, aber denen gehört ja die andere Hälfte der Quelle. Und Iran ist böse, nicht zu vergessen.
    Und hier sieht sich nun der Westen genötigt einzugreifen, denn die Russen sind unser aller Generalbösewicht.
    Fertig. Das ist der sinnlose Syrienkonflikt.
    Es ist zwar inhaltlich alles gesagt, aber um diesen zynischen Blick noch zu verschärfen, kann ergänzend erwähnt werden, dass jene Gruppen in Syrien, die wir in beschönigend als „Rebellen“ bezeichnen und als Westen kräftig unterstützen, jene islamischen Extremistentruppen sind die wir überall anders auf der Welt als Terroristen bekämpfen.
    Der sunnitisch-schiitische Dauerzwist hat Katar und Saudi Arabien dazu veranlasst mit Hilfe des Westens Dschihadisten als Destablisierungsmassnahme in Syrien einzuschleusen, in der Hoffnungs Assad zu stürzen und eine Pro-Pipeline-Regierung zu etablieren. Ein gänzlich klassischer Regimechange in westlicher Manier.
    In einem stimme ich überein, eine Lösung gibt es nicht so bald. Die einzige Lösung ist, dass Erdgas in den Westen fliesst.
    LG

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