Die dicke Sargnagel und das Chauvinistenschwein

6 Minuten Lesedauer

Eigentlich hätte meine Kolumne heute den Namen „Unser Führer kokst!“ tragen sollen. Der Aktualität wegen und weil ich immer auf der Suche nach Themen bin, die den Titel „Kleingeist und Größenwahn“ verdient haben, habe ich mich im letzten Moment doch dagegen und für einen Kommentar über DIE spannendste, rot-weiß-rote Social-Media-Posse der jüngsten Zeit entschieden. Stefanie Sprengnagel aka Sargnagel oder umgekehrt, ihres Zeichens seit kurzem Preisträgerin des Bachmann Publikumspreises und Thomas Glavinic, seines Zeichens Bestseller-Autor und SK Rapid Wien Mitglied, haben Beef und leben dieses (oder heißt es diesen?) öffentlich auf Facebook aus. Was wir daraus lernen? Kaum bis nichts. Aber nach der näheren Betrachtung dieser Internet-Keilerei, bleibt ein gewisses Unbehagen und Wunsch duschen zu gehen, zurück.
Was ist passiert? Kurz erklärt. In einer Kolumne der Wiener Wochenzeitung Falter steht letzte Woche geschrieben: „Die Professionalisierung im Selbstmarketing hat auch vor der Literatur nicht halt gemacht und sorgt dafür, dass It-Girls wie Vea Kaiser, Valery Fritsch, Ronja von Rönne oder eben Stefanie Sargnagel als deren räudiger Counterpart an keinem Glam-Defizit laborieren. Und so töricht es wäre, dies als „uneigentlich“ entlarven zu wollen und keusche Textimmanenz einzumahnen, so darf doch darauf hingewiesen werden, dass aufmerksamkeitsökonomische Alertheit und literarische Qualität zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Autorinnen wie Anna Weidenholzer und Karin Peschka mögen von den Redakteuren der ‚Leute‘-Seiten und ‚Seitenblicke‘-Formate ignoriert werden, dafür ist ihre Literatur aber auch interessanter als der Kitsch und das selbstverliebte Generationengeraune ihrer bekannteren Kolleginnen.“ Daraufhin geht’s rund im Literatur-Dschungel und die Affen werfen mit Kokosnüssen.
Die ersten Kokosnüsse sind noch recht klein und absolut verständlich. Die im Text angegriffene Vea Kaiser meldet sich zu Wort und fragt zurecht: „Seit wann ist die Kommentare-Sektion dafür da, sexistischen Schwachsinn und/oder persönliche Beleidigungen rauszuschleudern?“ Daraufhin springt ihr ihr Autorenkollege Thomas Glavinic zur Seite und das fröhliche Nüsse-Werfen nimmt langsam Fahrt auf. „“Also einem Mann, der Bea Caesar (Anm. Vea Kaiser) in einem Satz mit einer talentfreien Krawallnudel (Anm. Stefanie Sargnagel) nennt, den Namen von Valerie Fritsch nicht mal richtig schreiben kann und den beiden Kitsch und Selbstverliebtheit attestiert, dem möchte man sexuelle Frustration unterstellen.“ Die talentfreie Krawallnudel ist ein Facebook-Genie und kontert mit Anspielungen: „lol magst nicht lieber deinen Schwanz ins Internet stellen gegen Gewaltvideos oder auf ein Bier mit Strache gehen?“ „Oder Frauen bitten ein Selfie mit deim Buch zu machen haha.“
Der ganze Clinch gipfelt dann in der Antwort von Glavinic: „Wieso kann ein sprechender Rollmops meine Seiten verschweinen?“ Die selbst, in Ton und Inhalt, nicht zimperliche Sargnagel wechselt von der Angreifer-Rolle in die Opfer-Rolle. Das tut sie auch zurecht. Wenn man davon ausgeht, dass mit Rollmops kein handelsüblicher Leckerbissen gemeint ist, sondern auf körperliche Formen angespielt wird, so darf man sich schon mal fragen – was hat das hier verloren? Dass die Internet-erprobte Stefanie Sargnagel bald wieder in die Angreiferrolle zurückfindet und deutliche Worte wählt (der Leser hat das Gefühl, dass hier eine Art Chauvinistenschwein umschrieben wird), war hingegen keine Überraschung. Ebenso wenig, dass die ersten Medien rasch aufspringen und aus einer öffentlich ausgetragenen, privaten Keilerei, ein Sommerloch füllendes Spektakel machen.
Was ist hier also passiert? Wer Bücher verkaufen will und das nicht nur aus Leidenschaft, sondern im großen Stil, der braucht Aufmerksamkeit. So gesehen, könnte man der ganzen Posse durchaus eine gewisse Absicht oder zumindest einen geschäftlichen Background unterstellen. Viel wahrscheinlicher scheint aber, dass hier einfach zwei Künstler-Egos aufeinander getroffen und in den Ring gestiegen sind. Aufgeheizt und angefeuert durch die johlende Menge an Zuschauern, ging dann so manche Formulierung deutlich daneben. Daran ist auch weiter nichts Verwerfliches. Im Gegenteil. Überhitzte, sich aufmandelnde Egos trifft man täglich in Büros und Straßenbahnen und spätestens Samstag Abend in stadtbekannten Discos. Irgendwie ist es sogar tröstlich, dass die Menschen hinter den Namen, die auf Büchern stehen und die wir für ihre Worte, ihr Können und ihr Talent bewundern, auch wirklich nur normale Menschen sind. Aber dennoch. Was bleibt sind zwei Wünsche: Einerseits, wie oben bereits erwähnt, der dringende Wunsch duschen zu gehen. Andererseits, Schriftsteller wie früher. Die haben sicher auch derbe gestritten und waren alles andere als fromme Lämmer. Aber ihr schriftliches Beef fand sich in privaten Briefen wieder und nicht öffentlich, zum Nachlesen und (Fremd)Schämen.
P.S: Überspitzte Überschriften, die Leser anlocken sollen und sanfte Übertreibungen in einem Online-Feuilleton-Kommentar sind absolut ok, denkt mein Ego.


Was wir u.a. von Stefanie Sargnagel lernen können, liest man hier.
Hier geht es zur vorherigen Folge von „Kleingeist und Größenwahn“.

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

3 Comments

  1. Ärgerlicher, relativierender Text, der den Sexismus und das Fatshaming G.s zwar nennt, dann aber mit dem Wechsel S.‘ in die Angreiferrolle gleichmacht. Der Titel ist ein Griff ins Klo, weil er diese Gleichsetzung als Leitfaden voranstellt. Nächstes mal vielleicht weniger übers eigene Ego und mehr darüber nachdenken, worum es hier (gesellschaftlich) geht. Jeder hat das Recht, sich nicht zu positionieren, sollte sich dann aber in einem „Online-Feuilleton-Kommentar“ klarmachen. Die Debatte lächerlich zu finden ist schwach, denn es geht um ein Problem, mit dem sehr viele Frauen und Männer täglich konfrontiert sind. Wer es ebenso unschicklich findet, sich dagegen zu wehren, wie die Diskrimierung selbst, trifft eine Entscheidung.

    • Na eh. Kann den Ärger durchaus nachvollziehen. Zumindest dann, wenn man die Debatte durch die Fat Shaming Brille sieht. Ich hingegen sehe hier zwei Künstler, die sich beide ordentlich verrannt haben. Den Rollmops-Sager, wie auch immer er gemeint gewesen sein mag, halte ich aber durchaus für entbehrlich, unlustig, unklug und unangebracht. Der weißt durchaus auf ein Problem hin – die Reaktionen der Beleidigten und deren Fan-Schar aber auch. PS: Ins Klo greife ich im Übrigen nur ganz, ganz selten. Ekelt mich!

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