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Ob Krimilektüre hilft?

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Man hat sie schon satt, die immergleichen Sonntags-, Montags-, und alle anderen Abend-Krimis. Auch in Buchform bieten sie nicht mehr viel Neues. Trotzdem sollten wir dieses als trivial abgetane Genre für einmal ernster nehmen als sonst, wenn wir möchten, dass das halbwegs Gute in der Realität ebenso wie in der Fiktion siegt. Denn auf einmal hat das Böse in der Welt wieder ein Gesicht und einen Namen bekommen: Putin. Schon der Name taugte für einen literarischen Bösewicht des vergangenen Jahrhunderts, der wie in 007-Filmen mit technischer und strategischer Überlegenheit die Weltherrschaft an sich reißen will, aber schließlich immer an der eigenen Hybris und an seinem schlauen Gegner scheitert.

Könnte nicht einmal auch die Wirklichkeit nach diesem 0815-Krimi-Schema ablaufen? Wäre das nicht schön? Von dort kennen wir doch nur allzu gut den Serienmörder, dessen Vorgehen erst nach mehreren Morden ernst genommen wird. Und die Polizei, die allzu bürokratisch und immer  zu spät reagiert. Daneben aber taucht der geniale Einzelermittler auf, der mit Einfühlungsvermögen, Akribie und gänzlich unkonventionellen Methoden, jedoch immer gewaltlos,* versucht, den Wettlauf mit dem Mörder zu gewinnen und die nächste Gräueltat zu verhindern. Dieser Einzelgänger (Es kann vermehrt auch schon eine „Sie“ sein) nimmt keine Rücksicht auf Konventionen und administrative Vorschriften, bringt sich selbst in Gefahr und den Täter (kann ab und zu auch eine Täterin sein) gerade noch rechtzeitig zur Strecke, bevor dieser (diese) die nächste Mordtat vollenden kann. So siegt in der Literatur das Gute. Und besonders Serienkrimis sind ja deshalb so beliebt, weil man das von Anfang an weiß — denn sonst wäre die Serie beendet.

Leider kennt die Realität zwar Serientäter, aber keine Serienhelden, und das Gute siegt auch nur temporär und oft über lange Zeit gar nicht. Aber ansonsten wäre das Schema doch eine probate Anleitung zum Umgang mit dem neuen Weltbösewicht, nachdem dieser schon mehrere Morde nach immer gleichem, inzwischen wohlbekanntem Muster** begangen hat.

Wo aber sind jetzt die genialen Verfolger, die den bereits geplanten nächsten Mord verhindern? Wir kennen den Namen des Opfers, wir kennen die Mordmethode, wir kennen den Täter. Doch wie kriegt man ihn zu fassen? Wer stöbert ihn auf in seinem Versteck? Vielleicht heißt der neue Serienheld diesmal „Anonymus“?

  • * Im Gegensatz zu dem anderen, in Amerika bevorzugten Genre, in dem das Gute das Böse bekämpft: dem Western. Hier gewinnt der, der schneller und besser schießt. Also halten wir uns diesmal wohl doch besser an das uns Europäern sympathischere Krimischema.
  • * * Die bekanntesten seiner Opfer heißen Tschetschenien, Georgien, Syrien, Krim. Wer sich nicht selbst erinnert, kann eine Zusammenfassung nachlesen.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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