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Vom Schummeln und Lügen  — Verhindern auf Österreichisch

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Wir Österreicher sind Spezialisten im Nicht-Nein-Sagen, aber dann doch nichts tun.

Im Alltag redet man liebevoll vom typisch österreichischen „Schlendrian“, in der Politik ist das natürlich ein Tabu-Wort. Dort muss ja ständig Aktivität proklamiert werden. Doch egal, ob es um eine Reduzierung des Bodenverbrauchs oder um Gleichstellungsfragen, um Energiekostensenkung, Einschränkungen des Individualverkehrs, die Abschaffung schädlicher Subventionen oder eine Reichensteuer, den Ausstieg aus russischem Gas oder die Praktizierung verfassungsmäßig vorgeschriebener Menschenrechte geht, immer findet – ungeachtet aller guter Absichten und Regierungsabkommen — die eine Fraktion oder Gruppierung einen Weg, die andere daran zu hindern, die nötigen Schritte zu setzen, bevor die Legislaturperiode zu Ende geht. Anschließend wird das dann bei der nächsten Wahl dazu benützt, einander gegenseitig vorzuwerfen, man habe nichts weitergebracht.

Für diese Taktik besitzen wir in der deutschen Sprache gottlob eine Vielzahl schön und seriös klingender Wörter. Ein Online-Thesaurus* zählt allein für den Begriff „verzögern“ 260 Beispiele auf. Viele davon hören wir täglich bei der Begründung politischen Nicht-Handelns: Man muss noch einmal innehalten, möglichen Konsequenzen entgegenwirken. Man mussetwas aussetzen / zurückstellen / verschieben / eindämmen / abfedern / abbauen / lockern / begrenzen / verlangsamen / beschränken / prolongieren / erstrecken / vertagen …

Sollten diese probaten Wörter den politisch Verantwortlichen einmal ausgehen, gibt es noch einen allerletzten Totschlagbegriff:  Etwas ist „nur gemeinsam mit allen EU-Mitgliedsländern“ durchführbar. Spätestens dann weiß jeder, dass daraus nie mehr etwas wird, denn einer stimmt in der EU immer dagegen. Und nicht selten ist es sowieso Österreich.

Ich schlage vor, einmal die Aussagen zu parlamentarische (Nicht)Beschlüssen nach all diesen schönen Verhinderungs-Wörtern zu durchforsten. Es ist erstaunlich, wie viele notwendige politische Maßnahmen mit großem Wortgetöse seit Jahren NICHT getroffen werden.

Die Erstellung einer solchen Wörter-Strichliste wird unserem Land zwar bei der Bewältigung anstehender Probleme nicht weiterhelfen, aber sie fördert zumindest den allgemeinen Wortschatz und liefert womöglich eine Erklärung dafür, warum immer mehr Bürger den Glauben an unsere Demokratie verlieren und wieder beginnen von einem starken „Führer“ zu träumen.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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