(c) Helmuth Schönauer

Anmache/Abmache – Szenen aus dem Öffi-Milieu

4 Minuten Lesedauer

(1)
Fußgehende zur radfahrenden Person:
– Fahren Sie durch, Sie verlieren sonst den Schwung.
– Danke!
– Einen Crash mit Ihrem Gewicht würde ich nämlich nicht überleben.
– Oasch!

(2)
Aufgebrachte Person:
– Alle wollen nur pudern, aber niemand mich heiraten!
Irritierte Person:
– Ich habe nur gefragt, ob der Sitz noch frei ist.

(3)
Verwechslung
– Jetzt muss ich Sie wirklich einmal fragen, seit Jahren schon fällt mit auf, wenn ich Sie im Bus sehe, dass Sie dem Brad Pitt ähnlich schauen. Sind Sie mit ihm verwandt?
– Nein, aber jetzt wo ich genauer hinschaue: Sie erinnern mich an Prat Pig?
– Nie gehört, wer ist das?
– Ein sprechendes Schwein in einem Film über Aufzucht-Missstände in der Fleischindustrie.

(4)
Immer wieder Fußball
– Jetzt ist es schon wieder Bayern, das Meister geworden ist.
– Ja, und der Vorstand hat sich im Siegesrausch selbst gegenseitig ausgeschlossen.
– Sie meinen die Affäre um den Ex-Tormann Kahn?
– Ja, wie der „einvernehmlich ausgerastet“ ist, das war meisterlich.

(5)
Tick
– Sie dürfen nicht auf mich hören, ich rede immer Scheiß und kann es nicht zurückhalten. Zudem ist jeder dritte Satz eine Kränkung, sagt mein Therapeut.
– Gut dass Sie mir die Chance geben, Sie vorher zu kränken, Sie sind ein erbärmliches Arschloch mit einem Sprech-Tick!

(6)
Vegan
An der Theke einer Konditorei beginnt es erbärmlich nach WC zu stinken, als die Meisterin des Süßen ein Stück aus der Vitrine nimmt.
– Das riecht aber jetzt irgendwie nach Scheiße, was meinen Sie?
– Nein, das ist nur, weil wir jetzt vegan arbeiten.

(7)
Zweimal grausig
Er, im Anmach-Modus, sitzt breit über mehrere Sitze, zudem versperrt sein Genital den Mittelgang, sodass die Fahrgäste hinten im Bus einsteigen, um das Spreiz-Monster nicht von vorne sehen zu müssen.
Sie, im Aufmascherl-Modus, cremt sich die Hände am Vierer-Sitz so fett ein, dass die Sitznachbarn dahinter mit dem Würgen beginnen. Als sie aufsteht, und mit den fetten Händen ein paar Mal an der Haltestange reibt, um irgendwie Halt zu finden, beginnt jemand ungehemmt mit dem Kotzen.
Letzten Endes graust es den Bus vor den Passagieren dermaßen, dass er aus dem Verkehr genommen und gereinigt werden muss.

(8)
Promovierte Person:
– Und stellen Sie sich vor, neulich hat mich jemand „akademische Vorhaut“ genannt. Was bedeutet das?
Unpromovierte Person:
– Dass Sie ziemlich nutzlos sind.
Promovierte Person:
– Aber warum Vorhaut?
Unpromovierte Person:
– Weil sie zu nichts nutze ist. Sie können sie zurückschieben oder abschneiden. Mehr Sinn hat sie nicht.

(9)
Ältere Person zur jüngeren:
– Junge Person, in welchem Geschlecht Sie auch wohnen, können Sie bitte den „Platz für gebrechende Personen“ freimachen, ich möchte ihn für mich beanspruchen.
– Huch, gebrechlich, fehlt es weit?
– Nein, aber ich muss auf jeden Fall sitzen, wenn ich mit meinem Alter das Handy bediene.

(10)
Person außer Atem:
– Immer wenn ich dem Bus nachrenne, gerate ich außer Atem.
Person mit Atem:
– Probieren Sie es einmal umgekehrt, lassen Sie den Bus sich nachlaufen. Dann haben Sie Atem in Hülle und Fülle.

STICHPUNKT 23|56, geschrieben am 14.06. 2023

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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