(c) Helmuth Schönauer

Dirndl-Rezeption

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Im Herbst fällt auch im digitalisierten Zeitalter manchmal die primitive Frage, wo hast du heuer Urlaub gemacht?

Da mittlerweile alle Orte der Welt gleich ausschauen, wenn sie mit Flugzeug, Auto, Bahn oder Bike erreicht werden können, genügt es, mit Hilfe der KI ein paar Floskeln von sich zu geben, welche den Norm-Urlaub bestens beschreiben.

Denn genaugenommen fährt niemand wegen sich selbst auf Urlaub, sondern wegen der anderen, denen er endlich ein Erlebnis außerhalb des Wohnorts erzählen kann.

Als höflicher Mensch fragt man naturgemäß zwischendurch zurück, wo die Urlaubs-nachfragende Person selbst gewesen sei. Dabei gibt es nur ein wesentliches Detail, das erzählenswert ist:
– Gab es an der Rezeption jemanden, der im Dirndl Dienst versehen musste?

Viele sind von der genormten Art des Urlaubs so mit standardisierten Gefühlen überwuchert, dass sie sich weder an einzelne Urlaubstage noch an gewisse Situationen erinnern können.

Und sie haben ja nicht unrecht. – Urlaub ist dazu da, alles zu vergessen!

Zu Hause packen die erholten und von Gedanken befreiten Menschen sofort die Schmutzwäsche aus und stopfen statt ihrer  Fragmente von Urlaubserinnerungen in den Koffer, ehe sie diesen im Stauraum des Vergessens abstellen.

Da gemeinerweise niemand nachfragt, wie viele Dirndl ich heuer beim Einchecken gesehen habe, muss ich meine Urlaubsformel selber heraus plärren ganz ohne App, die mich dabei unterstützen könnte.

– Also ich habe in den letzten Wochen zwölf Mal touristisch genächtigt, davon waren zehnmal an der Rezeption Dirndl aufgestellt und zweimal habe ich es mit einem Automaten zu tun gehabt.

Ich muss sagen, ich fühle mich als Tirolender beim Automaten wohler, weil mich sowohl Dirndl als auch das darüber installierte Grinse-Face ziemlich abstoßen.
Gottseidank ist der Facharbeitermangel sehr verbreitet, sodass die Dirndl in absoluten Zahlen zurückgehen, was zur Entspannung bei Stressurlauben führt.

Ein Dirndl-Monteur, – so nennt man in Fachkreisen jenes Personal, das jene Automaten wartet, die freundlicherweise die Dirndl ersetzen, – ein solcher Monteur erzählt von ziemlich perversen Hoteliers, die beispielsweise verlangen, dass die IT-Monteure Dirndl tragen, wenn sie Automaten hinter der Rezeption warten.

Ein Startup aus dem Oberland hat übrigens während eines Projektes für den 7/24-Recyclinghof jene Automaten entwickelt, die künftig Touristen ersetzen. Diese „Touroboter“ melden sich bloß mit einer Arbeitsschürze bekleidet beim Dirndl-Automaten an der Rezeption an und legen sich dann anschließend nackt ins Bett, um die Statistik aufzufüllen.

STICHPUNKT 23|75, geschrieben am 14.09. 2023

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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