(c) Helmuth Schönauer

Bahner und Bahnerin

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Mit Trara wird im öffentlich rechtlichen Lokalfunk im Dezember 2023 gemeldet, dass ein energiesparender Quantencomputer aus Tirol jetzt in München steht und dort jede gewünschte Rechenleistung erhöht. Er gilt momentan als der leistungsstärkste Computer Europas.

Wenn er eines Tages seine zu erwartende volle Leistung ausfährt, kann man mit ihm bis dato unberechenbare Prozesse in Lichtgeschwindigkeit ausführen.

So eine gewaltige Rechenleistung ist beispielsweise notwendig, wenn die gesamte Sprache in Echtzeit gegendert werden muss.

Im ORF Studio Tirol arbeiten inzwischen von den 150 Mitzuarbeitenden wahrscheinlich 75 am Gendern.

Aber auch andere Tirolernde arbeiten unermüdlich daran, die passende Sprache für die Welt von Morgen zu generieren.

Kürzlich wurde der diesjährige „Kongress der Seilbahner und Seilbahnerinnen“ über die Bühne gebracht. 
Übliches Blabla in der ORF-Berichterstattung, aber die Spartenbezeichnung lässt aufhorchen.

In Analogie zu Eisenbahner und Eisenbahnerin wurde das am Seil hängende neue Berufsbild ausgerufen.

Demnächst sollen auch Gondler ins Seil gehängt werden, um die üblichen Gondeln zu gendern.

Schon geht es darum, die Bobbahn Igls für Olympische Spiele in Italien zu ertüchtigen.
Auch hier soll ein neues Berufsbild zum Einsatz kommen: Bobbahner und Bobbahnerinnen. 

Im Parallelslalom hat sich diese sprachliche Präzision schon längst Bahn und Bahnin gebrochen.
Auf Bahn eins starten die Einserbahner und Einserbahnerinnen, auf Bahn zwei die Zweierbahner und Zweierbahnerinnen.

Mit Argusaugen schaut währenddessen am Landestheater die aktuelle Direktion, die bekanntlich aus lauter Frauen besteht, darauf, dass jeder Monolog weiblich gestaltet ist. Wir sprechen längst vom Genre „innere Monologin“ und das Wort Dramaturgin bekommt eine neue Dimension, wenn der Text „dramatisch“ verändert werden muss.

Bravo und Brava! ruft indes eine durchgegenderte Moderatorin im Studio Tirol und leitet über zum Neutrum Wetter.

In Tirol ist sprachlich immer was los, weshalb so viele Nächtigende in dieses Sprachwunderland fahren, weil dort Mensch, Tier und Avatar bestens verstanden werden, solange sie keinen Inhalt ausspucken. 

STICHPUNKT 23|99, geschrieben am 06.12. 2023

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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