Ein Dirndl für Heinz Fischer beim Innsbruck-Besuch

6 Minuten Lesedauer

Wenn Heinz  Fischer nach Innsbruck kommt, dann darf es nicht irgendeine Kleidung sein. Heinz Fischer, obwohl nun nicht mehr Bundespräsident, gilt vielen immer noch als hochrangiger Repräsentant unseres wunderschönen Landes und als „Bundes-Heinzi“. Wenn Heinz Fischer Besuche abstattet, hat man sich in Schale zu werfen. In die bestmögliche Kleidung, die ebenso repräsentativ für unsere großartige Alpenrepublik ist wie Heinz Fischer selbst. In Tirol ist das selbstverständlich das Dirndl.
Einen ähnlichen Gedankengang muss jedenfalls eine Direktorin einer Innsbrucker Volksschule gehabt haben. Dem weiblichen Teil der Volksschulkinder wurde, sofern zuhause vorhanden, das Tragen eines Dirndls empfohlen. Schließlich bekommt man ja nicht jeden Tag Besuch von einem ehemaligen Bundespräsidenten. An solchen Tagen trifft der Staatsmann auf die Tiroler Provinz.
Der weltgewandte und welterfahrene ehemalige Wiener-Hofburg-Bewohner trifft auf Teile seines schönes Landes, dem er bis vor kurzem vorstehen durfte. Die Summe der einzelne Teile ergibt ein wunderschönes, schimmernd-schillerndes Ganzes. Jedes Bundesland hat seine Traditionen, Eigenheiten und Besonderheiten. Zusammen ergibt sich eine Alpenrepublik, die in dieser Form weltweit einzigartig ist.
Fischer kommt und liest den Volksschülerinnen und Volksschülern Geschichten vor. Dabei klingt er wohl ähnlich wie bei seinen zahlreichen Neujahrsansprachen. Ruhig, besonnen, ein bisschen unverbindlich und allgemein. Niemand wird verletzt, jeder inkludiert, mögliche Zukunftsvisionen werden dem Land Österreich mit auf dem Weg gegeben. Ganz grundsätzlich scheint Heinz Fischer sich seiner erzählerischen Begabung bewusst zu sein. Wer bisher ein solch reichhaltiges Leben hatte, der muss auch davon erzählen. Sachlich, klar, für jedermann und jederfrau verständlich. Zusammen mit seiner Frau Margit hat er kürzlich seine „Erinnerungen“ niedergeschrieben. Nett nannten das die Einen, ein wenig flach und nichtssagend die Anderen.
Jetzt, seiner ursprünglichen Rolle als Bundespräsident entkleidet, führt er dennoch in gewisser Weise fort, was er über alle die Jahre tat. Er erzählt, mehr oder weniger plausibel. Er gibt Hoffnung, mehr oder weniger begründet. Er erhebt Einspruch gegen die vorherrschende Politik, mehr oder weniger vehement. Er trifft sich mit Gott und der Welt, mehr oder weniger verbindlich und kritisch. Er baut, mehr oder weniger, handfeste Zukunftskonstrukte, auf die sich alle einigen können und an die doch niemand so recht glaubt.
Nun wäre es verkürzt etwas aus seinen gegenwärtigen Entscheidungen abzuleiten. Aber man darf spekulieren. Für Jänner wäre ein Besuch im Treibhaus in Innsbruck geplant gewesen. Der Termin wurde schon vor einiger Zeit verlegt und ist mittlerweile abgesagt. Das Treibhaus ist, nicht zuletzt durch die Parteinahme für Van der Bellen, als Ort der kontroversen politischen Diskussion bekannt.
Als Gründe für die Absage werden diverse Terminkollisionen angegeben. Unter anderem Bälle. Heinz Fischer eröffnet und beehrte mittlerweile lieber Bälle und öffentliche Veranstaltungen als sich der politischen Diskussion zu stellen. Es sei ihm gegönnt. Man darf aber durchaus fragen, ob er damit nicht die Haltung und Handlungsweisen fortsetzt, die er auch schon als Bundespräsident etabliert hat. Man hatte schon lange das Gefühl, dass er lieber beehrt, eröffnet und repräsentiert als kritisch Einspruch erhebt. Tat er es doch, klang es fast schon ein wenig wehleidig und verzweifelt.
Es ist plausibel anzunehmen, dass er sich jetzt wohler fühlt. Repräsentieren, beehren und eröffnen ohne die lästige und wenig angenehme Aufgabe Einspruch erheben zu müssen. Er nimmt quasi das beste aus seiner Amtszeit, substrahiert die weniger schönen Aspekte dieser Zeit und macht einfach weiter wie zuvor. Erzählt Geschichten, ist nett aber ein wenig unverbindlich, schaut sich sein wunderschönes kleines Landerl an, dem er zwar nicht mehr vorstehen darf, das er aber nicht wie vor berückt und beglückt bereist. Und zumindest die Kinder freuen sich über den netten „Onkel“, der ihnen in der Volksschule Geschichten vorliest. Und auch Heinz Fischer ist glücklich. Er sah, dass es Gut war. Trachten allerorts, junge Tirolerinnen adäquat im Dirndl adjustiert.
Es gibt abschließend noch eine wunderbare Nachricht für die stolzen Österreicherinnen und Österreicher.  Es besteht Hoffnung, dass auch Van der Bellen ein famoser Geschichtenerzähler, Zukunfts-Entwerfer, Eröffner und Beehrer sein wird. Alles geht also weiter bis bisher. Zum Glück. Womöglich mit anderen Geschichten. Die Nettigkeit und Unverbindlichkeit wird aber bleiben. Und schön ist unsere Alpenrepublik sowieso.

Hier geht es zu der vorherigen Folge von "Kleingeist und Größenwahn".

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.