Hier wird an der Uni geslamt, die Fortsetzung der Fortsetzung

7 Minuten Lesedauer

Scham

von Sophia Hasenauer
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Es gibt diese Momente. Diese klitzekleinen Momente.
Da schäme ich mich.
Da schäme ich mich für meine Sprache.
Für meine Sprache, die Wörter hervorbringt wie „Gutmenschen“.
Gutmenschen? Was sollen Gutmenschen denn sein?
Ich will doch gut sein, so hat mich meine Mama erzogen.
Ist gut sein jetzt das neue Böse sein?
Ist eine „Besondere bauliche Maßnahme“ der neue Zaun?
Sind wir nun inländerfreundlich oder ausländerfeindlich?
Oder war’s dann doch eher inländerfeindlich und ausländerfreundlich?
Es gibt diese Momente. Diese klitzekleinen Momente.
Da schäme ich mich.
Da schäme ich mich für diese selbsternannten Patrioten.
Für Renate, Alex, Karin, Christoph, Iris, Franz, Doris, Markus und Co.
Denn sie alle schreien im Internet herum, begleitet von vielen Ausrufezeichen,
zwischendrin einigen Einsern und dem ein oder anderen klitzekleinen Tippfehler:
„Werft sie aus den Flugzeug“, „Sie gehören vergast“,
„Bewerft sie mit Handgranaten“ oder „Zündet sie an!“
oder ganz banal: „Dia kean olle daschossn!!!!11!!!!“
Wie unsere Sprache verblödet, boah OIDA!
Dann spielen wir Niveaulimbo und machen unser Lebensmotto zu YOLO,
because you only live once, OIDA! Hashtag leidergeil.
Dann gibt’s da noch so kleine Nazis.
Die setzen sich hin und fangen an zu reimen.
Und Reimen ist an sich eine super Sache: da setzt man sich mit einem Thema auseinander und man setzt sich mit der Sprache auseinander und man jongliert mit Wörtern und und..
Aber wenn kleine Nazis reimen … dann nicht. Denn dann sieht Reimen so aus:
„Daham statt Islam“
„Heimatliebe statt Marrokkanerdiebe“
Boah OIDA, Fail!
Für was gibt es Sprache, wenn mich dann Situationen wie diese sprachlos machen?
Es gibt diese Momente. Diese klitzekleinen Momente.
Da schäme ich mich.
Aber stopp, halt, doch, in manchen Momenten,
da kann meine Sprache ganz coole Sachen machen.
Das nennt sich dann zum Beispiel Anagramm.
Das macht dann aus HC Strache ganz leicht „Echt arsch“
Oder aber „Ach, rechts“ – Ziemlich cool, diese Anna Gramm.
Es gibt diese Momente. Diese unzähligen Momente.
Da schäme ich mich – zum Glück – nicht.


Der Wert des Dialektes

von Julia Lochner
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Sprache verbindet – und da Dialekt no umso mehr.
Vo kloa auf schon, is mei Dialekt durch mein Opa geprägt.
A richtiger Fuscher Bergbauer – oabuachn – wiera a im Buache steht.
Nochn Prinzip: wos da Bauer nid kennt, des frisst a nid!
Egal zu wöchan Ohloss, ob im lassing ban bleame brockn, beim heign mitn muli im summa, beim grangn suachn im herichst oder bam schnee schepfn im winter – vom daddn homma de tiafst pinzgarischn wörter glernt. Grod beim mulatschaggn oder ban würfeln, wenna so stü vor sich hin gred hod, sand erm de bestn soga aussakemma. Ois homma aufgschnapp, und versuacht zan übersetzn, vasteh und merkn. Und grod de sproch woa des, wos uns sehr verbundn hod. Imma wieda homma neiche wörter dazuaglernt, ah soiche, de heitzutogs leider scho beim aussterbn san, weil ma vüz vü ins deitsche oder sogoa englische obwondln.
Und is des nid schod?
Wennst wieda vom papa herst, wosd do oamoi für an beischlreissa bowist? Moast zeascht des is a einlodung zan beischl essn. Dawei schimpft a glei wieda, dasd aufhern soist mit de stoakn tschigg. Ko scho moi passiern das ma do wos foisch vasteht.
Traditionen wern im pinzgau no groß gschriem. Um’s kirchn geh homma meist nid ummamegn und des seitl danoch ban nochbawiascht woa scho tradition. Und soboid ostern woa, is zan fria aufsteh gwen, weil koana de ontlasgon oder da poimesl sei woit. Wei der, der zletzt aufdakreid, kriag an spitznom, der erm donn bleib – i woas oft gnuag, des leidn wü koana hom.
Ah des wetta deitn hod da opa guad kenna. Soboid de woikn links vom Glockner zochn is stott rechts, oder da wind stott eichi, moi aussiblosn hod, hod da der a bessane wettaprognose liefern kenna als da ORF. Am Bauernkalender is hoid decht no wos dro, ob mas glabn wü, oder nid.
Oft werma zwoa durch insan innagebirglichen Dialekt als Bauern ohgstempet, owa wen juckt des scho? Mia hom hoid a geheimsproch, wo ma nid glei jeds wort identifizieren ko.
Oft amoi feigelts de Urlauber, vor ollem de holländer und deitschn, wennst erna im winter sogst, se soin mitn grottn aschling schiam, weils a da schneepitzn mit de glotzatn summaroaffn hänga bleim. Und obwoi da dialekt oft hoscht is, und de schimpfwörter oft nid vastondn wern, herst vo de deitschn urlauber meistens doch nur: kannst du noch’n bisschen weiter reden? Das klingt so nach urlaub 😉
So homma hoid, vo joah zu joah epps nois dazuadalernt. Und mit stoiz homma de nei glerntn wörter donn imma wieda weidavazöht. Vor ollem de steira oma homma trazt, wenns wörter wie keschzn oder ohschauschiach weder aussprechn kenna, no vastondn hod.
Sie bericht a immer wieder gern, wia i ois kind moi vazöht ho, das ma noch da weihnachtsmess mit de fockn hoamgonga san. Natürlich nid richtige fockn. In da steiermark hoassn de fockn fackeln und irgendwie derfati des fürn osten foisch übersetzt hom.
Wennma 3 sprochig aufwochst, ko ma de vokabel scho moi vatauschn.


Sämtliche Slamtexte (insgesamt 8 Texte) wurden im Zuge der Lehrveranstaltung “Sprache und Stil” an der FH Kufstein geschrieben und vorgetragen. Hier am ALPENFEUILLETON werden sie zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit gezeigt. Bald geht es mit Teil 4 (von 4) und zwei weiteren Slamtexten weiter.

Artikelbild (c) Hannes Bodner Bau GmbH & Co. KG, FH Kufstein – 3. Bauabschnitt

 

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