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Sittenwächter

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Wir regen uns ja zu Recht darüber auf, wenn im Iran, Saudi Arabien oder in Afghanistan Männer den Frauen vorschreiben, was als sittliches Betragen anzusehen ist und was nicht: Gesicht und Frisur und Beine herzeigen, Nägel lackieren, Augenmakeup, höhere Bildung, ohne männliche Begleitung einkaufen oder gar Auto fahren, usw. Dabei sind diese Männer fest davon überzeugt, nur das Beste für die Frauen zu wollen und zu verhindern, dass sie gekränkt werden oder irgendwer zu bösen Gedanken bzw. Taten verführt wird.

Schon viel weniger regt uns hierzulande auf, dass an Schulen und Universitäten der USA gewisse Inhalte, die irgendeine Minorität möglicherweise als Kränkung empfinden könnte, nicht einmal mehr im wissenschaftlichen Kontext angesprochen und kritisch debattiert werden darf. Wenn irgendwer sich gekränkt fühlt oder auch nur glaubt, jemand anderer könnte sich dadurch gekränkt fühlen, ist das Thema Tabu, und wer es dennoch anspricht, ist mit Ausgrenzung und Jobverlust zu bestrafen. Man will ja nur das Beste für unterdrückte Minderheiten.

In Europa wird eine Künstlerin wegen ihrer Rastafrisur ausgeladen, schließlich ist sie unglücklicherweise eine europäische weißhäutige Person. Sollte also Tirolerin demnächst besser kein Kopftuch mehr tragen, um nicht als unsensibel gebrandmarkt zu werden? Oder diese schönen Dirndln aus afrikanischen Stoffen – sind die nicht eine unzumutbare kulturelle Aneignung? Das alles ist noch nicht fertig ausdiskutiert.

Das in Vorarlberg beliebte Mohrenbräu-Bier kämpft seit Jahren um seine alteingesessene regionale Marke, die vom Namen des Brauereigründers herrührt. Dem Logo, das mit dessen Namen spielt, hat man jetzt ein eurasisch spitzes Näschen und schmalere Lippen verpasst, ohne zu bedenken, dass es auch afrikanische Stämme gibt, welche ein solches Kopfprofil aufweisen. Es wäre schließlich denkbar, dass der alte Herr Mohr ehemals Kraushaar und eine Knollennase hatte. Wie auch immer, ich bin mir sicher, es werden neue Beschwerden eintrudeln, egal wie das Logo aussieht.

Und die unter Kindern begehrteste Rolle bei den Dreikönigssammlung, nämlich die des schwarzhäutigen Weisen*, ist als Blackfacing sogar hierzulande in Verruf geraten, obwohl die Alpenländer wirklich keine nennenswerte koloniale Vergangenheit besitzen.  Dennoch versucht die Caritas nun verzweifelt Kinder der relativ kleinen dunkelhäutigen Community zum Mitgehen zu bewegen. Doch wer fragt diese, ob sie nicht lieber einen der weißhäutigen Könige spielen und sich das Gesicht weiß schminken würden? Eine seriöse Untersuchung, ob die heiligen drei Könige nicht gerechterweise überhaupt „KönigInnen“ plus Sternchen heißen müssten, steht auch noch aus. Dies ist umso beklagenswerter, als ja inzwischen hauptsächlich Mädchen bei der Aktion mitmachen. Dieser Zwang, das eigene Geschlecht zu verleugnen, führt womöglich zu psychischen Schäden. Trotzdem wurde die katholische Kirche bisher noch nicht gecancelt.

Doch sei´s drum. Auch das wird noch kommen. Wie gesagt: Ich bin fürs Gendern. Ich bin auch für sensiblen Umgang miteinander. Aber ich bin gegen Sittenwächter und Zensur und moralische Platitüden. Hier ebenso wie im Nahen Osten.

Wer sich für die Fakten dazu interessiert.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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