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Vom Glück des Alters

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Ein runder Geburtstag dräut heran! Noch nicht ganz so hoch, dass der Bürgermeister mit einem Blumenstrauß oder der obligaten Flasche Wein vor der Tür antanzen muss, aber doch schon bedrohlich im obersten Viertel.

Es ist ja nicht immer und überall ein Glück, alt zu werden. Die Leutchen in den Trümmern der Ostukraine wünschen vielleicht, sie hätten jung sterben können, um die ständigen „Rückeroberungen“ durch mal die einen, mal die anderen „Befreiungstruppen“ nicht mehr erleben zu müssen. Und wer ohne legale Selbstmordmöglichkeit ein für sich sinnloses Leben weiterfristen muss, für den bedeutet das Altwerden eine Qual. Aber andere in unseren mit Frieden, Sozialstaat und Wohlstand gesegneten Ländern finden es, trotz aller Beschwernisse, immer noch wunderbar.

Besonders wir Frauen! Oma sein ist so viel angenehmer als Mutter sein! Und ein fixer Pensionsbetrag am Konto, sei er auch klein, ist immer noch besser als ein unzureichendes Gehalt, für das du dich neben Familienarbeit, Haushalt und einem letzten mühsam aufrecht erhaltenen Hobby täglich abrackern musstest. Bewegungsmangel und Mangel an Aufgaben hast du auch jetzt nie, solange du noch einen eigenen Haushalt führst. Da sind ein paar tausend Schritte am Tag, wie sie die Fitness-App fordert, leicht zu erreichen.

Und eines ist das Alter sicher nicht, auch wenn manche das behaupten: es ist niemals fad. Die aufregendsten Filme drehst du selbst in schlaflosen Nächten. Und statt der Serientoten im Krimi hast du jetzt die Beerdigungen alter Freunde. Hier derselbe Suspense: Wer ist als Nächster dran? Gibt es Rettung in letzter Minute? Und auch das hält ja nur bis zur nächsten Folge. Solche Cliffhanger machen jeden Tag zur spannenden Fortsetzungsgeschichte. An ein Serienende mag man da gar nicht denken! Dem Regisseur wird hoffentlich noch die eine oder andere tolle Folge einfallen …

Sonst fürchtest du nicht mehr viel, denn du hast dich schon zu oft gefürchtet: der Atomkrieg war schon zwei Mal ganz nahe, Tschernobyl und Fukushima hatten wir schon. Bayern München hat auch früher schon mal verloren, und das Ozonloch konnten wir erstaunlicherweise wieder schließen. Terror und mannigfaltige Anschläge auf die Demokratie gabs auch vor Jahrzehnten immer wieder, mal von Altnazis, mal von Roten Brigaden. Und irgendwie haben wir´s noch jedes Mal im letzten Abdruck geschafft, die ganz große Katastrophe außen vor zu halten. Gegen alle Wahrscheinlichkeiten. Warum nicht auch diesmal? Man musste allerdings immer etwas dagegen tun. Und ehrlich: Wann in der Geschichte hat man je so viele Senioren bei Straßendemos und in Diskussionsrunden gesehen? Ist das nicht das größte Glück: Im Alter die Freiheit UND die Freizeit zu haben, sich im Großen wie im Kleinen für die Verbesserung der Welt einsetzen zu können?

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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