Du fragst mich, was Glaube ist #16

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Freundschaft mit Gott
Vielen erscheint der Begriff Glaube zu abstrakt, also möchte ich ihn probeweise mit Freundschaft gleichsetzen, einem Wort das in seiner ursprünglichen Bedeutung (vor Facebook und Konsorten) die Tiefe gegenseitiger Gefühle und des restlosen Vertrauens beschreibt.
Warum mache ich das?
Ich denke, dass der Glaube an Gott letztlich eine Freundschaft mit Gott ist, oder es zumindest sein kann; beides stellt ähnliche Anforderungen, gibt Halt, hilft, spornt an, baut auf, unterstützt, fördert, stiftet Liebe usw.
Aber der Reihe nach … Ich möchte über ein paar gemeinsame Attribute von Glaube und Freundschaft meditieren: Kennenlernen und Wachstum, Vertrauen und Zweifel, Reden und Zuhören.
Die erste Schwelle zu einer Freundschaft ist das gegenseitige Kennenlernen; der Augenblick, in welchen man entscheidet: Ja, mein Gegenüber interessiert mich, und ich will diesem Gefühl nachgehen, den ganzen Weg, von mir bis zum anderen, ungeachtet der Hindernisse und Stolpersteine, meinen Blick fest auf mein Ziel gerichtet, mit dem Wunsch im Herzen: Dich will ich kennenlernen, dich zum Freund haben! Aber dafür muss viel investiert und auch manches Opfer gebracht werden, denn Freundschaft kann und muss sogar wachsen, wenn sie nicht nur eine oberflächliche Begegnung bleiben soll; und so müssen wir unser Gegenüber in allem kennenlernen, was es ausmacht. Darin sind Glaube und Freundschaft sehr ähnlich.
Dieses Wachstum schafft Vertrauen, weil man allmählich beginnt, den anderen zu begreifen und dadurch weiß, worauf man bei ihm zählen kann. Aber es können dadurch auch Zweifel kommen, weil man etwa in manchem unterschiedlicher Auffassung ist. Ein Gefühl, das man ebenso vom Glauben wie von der Freundschaft kennt. Aber ist ein Zweifel, den man aneinander hat, der manchmal nur eine Unstimmigkeit in Detailfragen ist, es tatsächlich wert der ganzen Beziehung ein Ende zu setzen, und den Freund, den man für sich gefunden und gewonnen hat, wieder zu verlieren?
Wenn Freunde z. B. miteinander reden können viele Zweifel ausgeräumt werden, selbst wenn das nicht zwangsläufig bedeutet, dass alle Unterschiede und bestehenden Meinungsverschiedenheiten auf einmal verschwinden werden. Nein, aber eine Freundschaft machen auch ihre Gegensätze aus, das schafft nämlich Bewegung und führt zu Wachstum wie zur Festigung der Freundschaft. Jetzt könnte man allerdings behaupten: Im Glauben ist das anders, Gott redet ja nicht mit mir usw. Das stimmt, nur bedingt, denn wir haben Gottes Antworten auf unsere Fragen, wenn auch nicht so direkt wie im unmittelbaren Gespräch, und so können wir u. a. lesen: „Ich nenne euch nicht mehr meine Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt, denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“[1] So spricht Gott etwa mit uns, und wir können ihn somit hören, wie wir mit ihm im Gebet reden können usw.
Worauf will ich damit hinaus?
Ich meine, wenn man mit Glaube oder dessen Erklärung sich selbst oder anderen gegenüber Schwierigkeiten hat, hilft m. E. der Verweis auf die Freundschaft, die etliche Parallelen (und mehr als ich hier aufgezählt habe) hat, wodurch der Glaube vielleicht besser als das verstanden wird, was er tatsächlich ist: Eine lebendige und sehr wechselhafte Beziehung mit Gott, den wir kennenlernen, lieben und anzweifeln dürfen; zu dem wir reden, und von dem wir gehört werden können; der uns Freund nennt, wie wir ihn Freund nennen. Und damit ist alles gewonnen.
Martin Kolozs, 13. September 2016
Die siebzehnte Folge erscheint zum Monatswechsel September/Oktober 2016
[1] Joh 15,15

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