(c) Helmuth Schönauer

Alpakas

4 Minuten Lesedauer

In loser Folge stellt das Alpenfeuilleton Ereignisse, Schicksale oder Gegenstände vor, die das Zauberwort „Alpen“ genetisch in sich tragen.

Die Alpen sind faszinierend, sie veredeln alles, was darin wohnt, durchfährt oder den Geist aufgibt.

Kraft dieser Definition werden hässliche Menschen, die in der Werbung für nichts taugen, plötzlich zu perfekten Testimonials für jegliche Art von Unsinn, wenn unter ihrem Gesicht eingeblendet ist, dass sie einen Wohnsitz in den Alpen haben.

Ähnliches geschieht mit einem Container voller Sanitär-Keramik, der auf dem Weg durch die Alpen von einem Steinschlag getroffen wird. Zwar sind die Keramiken für den ursprünglichen Zweck (Duschen, Händewaschen, Miktion, Defäkation) verloren, aber ihr Wert als Keramik-Bruch steigt ins Unermessliche, wenn der Steinschlag in den Alpen zertifiziert ist.

Und selbst so ein trauriger Anlass, wie einen Hund auf der Urlaubsfahrt zu verlieren, wird zu einem melancholisch-blauen Föhnerlebnis, wenn man kurz mit dem toten Tier von der Autobahn abfährt und es auf einem Hundefriedhof in den Alpen bestattet.

So ist es kein Wunder, dass man Tiere aus den Anden importiert und heimisch macht, indem man ihnen Silben aus den Alpen umhängt.

Wer denkt bei Alpakas nicht sofort an die Alpen, und erst in zweiter Linie an Lima und die Lamas?

Selbst der ORF macht von diesem Upgrade-Prozess Gebrauch und berichtet ungefragt und mit Zwangsgebühren von „Alpakas in Wieselburg“.

Da muss doch was Alpines dahinterstecken? Wie könnte es sonst der ORF-Niederösterreich senden?

Niederösterreich leidet besonders unter dem Mangel an Alpen, weil das bisschen Alpenvorland einfach zu wenig ist für so viele patriotisch gesinnte Menschen, die sich rund um Wieselburg herum aufgebaut haben.

Wir von den echten Alpen schauen manchmal abschätzig auf die Vorälpler, die sich mit ihren Alpakas ein Stück vom Alpen-Kuchen abschneiden wollen.

Aber Solidarität ist angesagt. Wer weiß, ob morgen nicht auch uns das fehlt, was die Vorälpler so lange missen mussten – Alpakas als Wappentiere beispielsweise.

Nichts beschreibt die Sehnsucht der Menschen nach Tieren mit einem Alpen-Gen so sehr, wie das Studio Niederösterreich mit seinem Beitrag über die eingemeindeten Tiere. Es schreibt:

„Alpakas im Schönheitswettbewerb
In der Messe Wieselburg (Bezirk Scheibbs) sind am Wochenende 170 Alpakas aus ganz Österreich in einem Schönheitswettbewerb gegeneinander angetreten. Neben dem Aussehen zählte da vor allem die Qualität der Wolle, weniger der Charakter.

Sehen und gesehen werden – darum ging es auf der Alpaka-Schau in der Messe Wieselburg am Wochenende. Den Richter macht der Brite Nick Harrington Smith – in Österreich gibt es niemanden, der oder die den Beruf des Alpaka-Richters ausübt. Smith achtet bei den Tieren auf zwei Dinge: auf den Körperbau und auf die Wolle. Für Verunreinigungen gibt es etwa einen Punkteabzug.

Bei der Zuchtschau geht es vor allem um Äußerlichkeiten, aber Alpakas werden auch für ihren Charakter geschätzt, sagt der Obmann der Alpaca Association Austria: 
‚Alpakas sind keine Schmusetiere. Sie mögen es nicht, wenn man ihnen auf den Kopf greift, aber sie können zahm sein und werden auch als Therapietiere eingesetzt. Deswegen werden sie auch Delfine der Weide genannt.‘
red, noe.ORF.at“

STICHPUNKT 24|21, geschrieben am 05.03.2024

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

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