Muhammad erzählt II

12 Minuten Lesedauer

Mir hat man erzählt, dass die griechische Polizei sehr locker und gelassen mit Flüchtlingen umgeht. Deshalb gingen wir auf eine Polizeistation und sagten wir kämen aus Syrien und die Polizisten wussten was zu tun war. Wir verbrachten einige Tage in einem kleinen Camp und dann bekamen wir ein Dokument. Dieses Dokument besagte, wir dürften sechs Monate lang in Griechenland bleiben, müssten dann aber das Land verlassen – was wir ja auch vorhatten. Von Athen hätte ich theoretisch mit dem Flugzeug weiterreisen können. Für vergleichsweise wenig Geld bekommt man dort Pässe jeder Nationalität. Du kannst Brasilianer, Amerikaner oder Spanier werden – was du willst. Einer meiner Freunde kaufte einen spanischen Pass, aber meiner Meinung nach war das Blödsinn. Weder sah er Spanisch aus noch sprach er auch nur ein Wort auf Spanisch. Außerdem muss man schon viel Glück haben dass das alles gut geht wenn man mit einem Flugzeug flüchtet. In einem Ort nahe der Grenze zu Mazedonien trafen wir dann wieder einen Schlepper. Nach meiner ersten Einreise nach Mazedonien, brachte mich die Polizei jedoch wieder zurück nach Griechenland. Beim zweiten Mal hat es dann geklappt. Als wir die Grenze überschritten hatten, mussten wir auf Autos warten die uns weiter bringen sollten. Diese waren aber verspätet. Es war immer noch Dezember, immer noch eiskalt und alle die mit mir unterwegs waren, waren schon sehr müde. Aber wir konnten natürlich kein Feuer machen, denn das hätte Aufmerksamkeit erregt. Also legten wir uns auf den Boden und schliefen ein. Als ich aufwachte, war mein ganzer Körper mit Schnee bedeckt!

In Serbien galten dann ähnliche Regeln wie in Griechenland. Am Anfang hielten sie uns zwölf Stunden lang in einer Polizeistation fest, ohne uns Essen anzubieten. Ich sagte den Polizeibeamten, dass ich Geld hätte und bat sie, mir etwas zu kaufen. Einer der serbischen Polizisten war sehr nett zu mir. Er kaufte mir Essen, gab mir sogar das Restgeld und die Rechnung zurück. Er heißt Nikolas und erzählte viel von sich, und auch von seiner verstorbenen Frau. Ich habe immer noch seine Telefonnummer und wir sind auch Facebook Freunde. Ich glaube er ist ein ganz besonderer Mensch! Er entschuldigte sich sogar für das unfreundliche Verhalten seiner Kollegen. Dann bekamen wir ein wieder ein Dokument, das uns erlaubte fünfzehn Tage im Land zu bleiben. Von Serbien aus kamen wir mit einem anderen Schlepper im Burgenland an.

Ich und acht andere Flüchtlinge gingen zu einem Bahnhof und ich legte den anderen Nahe, sie müssten sich unbedingt umziehen. Unsere Gruppe sah aus wie eine Räuberbande. Ich sagte ihnen auch, dass ich von nun an lieber alleine weiter gehen würde. Denn als eine Gruppe von acht Flüchtlingen würden wir die Aufmerksamkeit nur auf uns lenken. Aber da ich sehr organisiert war und gut Englisch spreche, folgten mir die anderen. Und so begegneten wir zwei burgenländischen Polizisten. Sie machten nur ihre normale Runde, doch als sie „Guten Abend“ sagten, wusste ich, dass sie auf unsere Reaktion warteten. Es war sehr offensichtlich: eine Gruppe südländisch aussehender Menschen spazierte in der Nähe der Grenze herum. Und als ich auf Englisch antwortete, fragten sie nach unseren Pässen. Einer der beiden war sehr freundlich, der andere aber eher unhöflich. Er durchsuchte unsere Taschen, aber tat dies mit seinen Füßen. Da fühlte ich mich gedemütigt. Ich bin ja auch ein Mensch, der sich wascht, vor dem man keine Angst haben muss. Auf jeden Fall nahmen sie uns mit zu ihrer Station um eine erste Befragung mit uns zu machen und brachten uns dann zu einer größeren Polizeiwache, wo wir eine Nacht verbrachten. Die Polizisten waren weiterhin sehr nett zu uns. Allerdings hatten wir zwei Tage lang nichts gegessen und als ich um Essen bat, sagte man uns, dass die Geschäfte um diese Zeit schon geschlossen hätten. Das wunderte mich, es war erst acht Uhr Abends. In Syrien kann man bis zwei Uhr morgens immer frisches Essen bekommen. Aber ein Polizist kaufte mir Zigaretten. Dann nahm die Polizei unsere Fingerabdrücke und ich suchte um Asyl an. Allerdings gab es ein Problem mit dem Übersetzer. Jetzt, wo ich Deutsch spreche und verstehe was in dem Protokoll steht, sehe ich die Fehler. Bei den Fragen zu Details über meine Familienmitglieder steht, dass ich keine Details wisse. Das stimmt nicht, ich habe viele Details angegeben.

Dann hat man mich nach Traiskirchen gebracht. Ich habe mir einen Zugang zum Internet gekauft und Kontakt mit meiner Familie in Syrien aufgenommen. Bald darauf bin ich ins Flüchtlingsheim Götzens und dann ins Flüchtlingsheim in der Innsbrucker Reichenau gekommen, wo ich auch jetzt noch lebe.

Muhammads Erzählungen lösen in mir viel aus. Zum Zeitpunkt dieses Gespräches ist er seit neun Monaten in Österreich und wartet auf einen positiven Asylbescheid. Seit diesem Treffen im Herbst 2014 stehe ich zu Muhammad in ständigem Kontakt. Der dritte und letzte Teil dieser Geschichte handelt von Muhammads Leben in Österreich.

Zu Teil 1 und Teil 3

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.