Anpruggen Leise: Multi-Kulti in Stille vereint

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Es war schon ein seltsames Gefühl, als ich am Samstag, gemeinsam mit meiner kleinen Tochter und meinem Bruder, die Brücke in Richtung Höttinger Gasse betrat. Hinter uns der Trubel des Christkindlmarkts, Hektik und auch eine gewisse Unruhe. Vor uns ragte die Nordkette im letzten Schimmer der untergehenden Sonne auf. Das passte irgendwie, denn in meiner Vorstellung erwartete uns ein kitschiger Abend.


Ist der Name Programm?


„Anpruggen Leise“ sollte auf der anderen Innseite auf uns warten. Und bereits in der Mitte der Brücke wurde uns klar, dass wir uns nun in eine andere Welt begeben. Eine schöne Reihe von vielen Kerzen wies uns den Weg und strahlte mit den Augen meiner Tochter um die Wette, die gleich den Kinderwagen verlassen wollte. Drüben angekommen bogen wir in die Innstraße ein und sahen ein ganz ungewohntes Bild. Dort wo sich normalerweise Auto an Auto reiht, waren diesmal nur Menschen. Grüppchenweise standen sie um Baumfackeln, die mit einem angenehmen Licht die sonst recht dunkle Straße erleuchteten. Kurz überwältigt, setzten jedoch gleich auch die anderen Sinne ein und ließen die ersten Gerüche zu – eine Mischung aus Rauch, Kräutern und Glühwein.  Das hören fiel schon schwerer, weil man das als Innsbrucker fast nicht mehr kennt – es war wirklich fast still. So still, dass mein Bruder und ich den Drang verspürten, das Handy auf lautlos zu stellen. Der Name sollte also Programm sein. Sehr schön.


Multikulti – In Stille vereint


Viele Menschen hatten offensichtlich ähnliche Pläne wie wir und so war doch einiges los. Das Besondere daran: Kein Gedränge, keine gehetzten Gesichter und keine lauthals telefonierenden Leute. Sogar der ein oder andere nette Blick traf mich und besonders meine Kleine im Wagerl. So gingen wir vorbei an einer Gruppe, die gerade schöner Musik eines Gitarrenduos lauschte und mussten natürlich einen Stopp einlegen, als wir zu einem Glasbläser kamen, der mit seinen Flammen in der Dunkelheit ein majestätisches Bild abgab. So viele Eindrücke und doch so eine Stille.
Das einzig Nervige in diesen Minuten war der Hunger meines Bruders, der sich sehr penetrant meldete.  Zum Glück säumten den Straßenrand immer wieder kleine Tische, an denen ansässige Lokale Kleinigkeiten anboten – Vom Inder über ein türkisches Restaurant bis hin zum Traditionsgasthaus. Stoppen ließ uns der Duft vor einem türkischen Restaurant. So kamen wir in den Genuss eines Kichererbsengulasch, das genial war und sich als perfektes Vorspiel für das Falafel herausstellen sollte. Trotz aller Anstrengungen konnte ich zwei ältere Damen nicht davon überzeugen doch auch zu probieren, da Kichererbsen offensichtlich für einige nicht so verträglich sind. Wir einigten uns aber darauf, dass auch diese Speisen eine Bereicherung für Innsbruck sind.
„Papa ich höre ein Geräusch!“, riss mich meine Tochter aus dem Gespräch – diesen Satz hatte ich vorher noch nie von ihr gehört. So machten wir uns auf die Suche nach der Quelle und landeten bei einer kleinen Musikgruppe, die mit sanften Melodien fesselte. Nach einem Zwischenstopp mit Kräutertee begaben wir uns in den Waltherpark, der an diesem Abend ein Lichtermeer war.
Ein Geschichtenzähler mit schwarzer Hautfarbe erregte unsere Aufmerksamkeit und so lauschten wir den Erzählungen, um anschließend einen Mann zu bestaunen, der an einem Baum herumkletterte. Es war egal, dass wir nicht genau wussten, was er da macht.


Welcher Eindruck bleibt?


Langsam wurde es Zeit, den Heimweg anzutreten, was wir auch taten. Dafür begaben wir uns in Richtung Mariahilfer Kirche. Der Weg wurde uns geebnet von vielen Kerzen, die uns über verschlungene Pfade, vorbei an Musikern, zum Ausgang geleitete. Dort angelangt waren wir wieder in der Realität: Verärgerte Autofahrer, die nicht akzeptieren wollten, dass die Straße nun mal gesperrt ist.
Alle Eindrücke, dieses leisen Abends darzustellen ist eigentlich unmöglich, das muss man einmal selbst erleben. Was aber bleibt ist die Erfahrung, dass Stille in der Stadt wirklich möglich ist. Damit meine ich nicht nur, dass man weniger Lärm macht, sondern dass es auch möglich ist, innerlich still zu werden, wenn ein Rahmen dafür da ist.
Auch Kinder saugen diese Stille auf, so schnell und ruhig eingeschlafen hat meine Tochter schon lange nicht mehr. Vielen Dank an alle, die dabei waren, für eine kleine Oase der Stille!


Impressionen


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Alle Bilder: (c) Florian Kahn

1 Comment

  1. Der Baumkletterer brachte kleine Wunschzettel auf ein zweischen den Bäumen gespanntes Netz, um sie dort für die Menschen aufzuhängen. Ob die Wünsche ans Universum oder ans Christkind gerichtet sind war dabei nicht ausschlaggebend. Mögen sie ALLE erfüllt werden…

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