Das Haus – erster Teil

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In der Straße, in der Liesa und Tim früher wohnten, galt ein Haus unter all den Kindern die dort aufwuchsen, als Geisterhaus. Auch wenn die beiden nicht wirklich an Geister glaubten und erst im Alter von zehn Jahren in die Straße zogen und glaubten damit schon viel zu alt für diese Art von Schauermärchen zu sein, waren sich die beiden nie so ganz sicher, ob an den Gerüchten nicht doch etwas dran sein könnte. Die Geschichten, die sich die Kinder erzählten wurden immerhin schon über Generationen hinweg weitergegeben.
Der Großvater eines der Kinder soll damals mit dabei gewesen sein, als Wissenschaftler aus London zu Besuch waren, um das Haus auf paranormale Aktivitäten zu untersuchen. Bis auf wenige Ausschläge der Geräte, die sie mitbrachten, konnten sie jedoch nichts Handfestes finden. Das einzig Mysteriöse an der Sache war, dass zwei der vier Geisterforscher kurze Zeit später, nach ihrer Rückkehr nach London, unerwartet verstarben. Das war zwar für die Lokalpresse eine interessante Geschichte, doch der Volksmund führte die Todesfälle viel eher auf die offensichtliche Vorliebe der Wissenschaftler für englisches Fastfood, als auf irgendetwas Geisterhaftes zurück.
Doch die Geschichten hielten sich hartnäckig und je häufiger sie erzählt wurden, desto schauriger wurden sie. Liesa und Tim waren sich irgendwann nicht mehr sicher, ob es an den vielen Märchen lag oder ob wirklich etwas dran war, aber das Haus umgab eine eigenwillige Aura. Vor allem nachts, wenn in den meisten Fenstern das Licht bereits erloschen war, ging von dem Haus eine eigenartige Stimmung aus. Es waren auch immer wieder undefinierbare Geräusche zu hören, die man in der ganzen Straße vernehmen konnte und die eindeutig aus Richtung Geisterhaus kamen. Geräusche, die man nicht wirklich zuordnen konnte. Oftmals ein Heulen und manchmal ein Kratzen, dieses elendige Kratzen.
Liesa und Tim hatten irgendwann genug von all dem. Drei Jahre lang hatten sie den anderen Kindern zugehört und auch den Erwachsenen, die zwar nicht an übernatürliche Aktivitäten glaubten und meistens darüber schwiegen, aber nach dem zweiten oder dritten Glas Wein dann doch auf das Thema kamen und so zur Aufrechterhaltung des Mythos beitrugen. Tims Vater wollte in seiner Zeit im Gemeinderat sogar einen Abriss durchbringen, doch der Hausbesitzer, der Enkel des Ehepaares das dort vor Jahrzehnten gewohnt hatte, war dagegen, obwohl er selbst nie hier war und weit weg, irgendwo in Amerika lebte. Liesa und Tim konnten diese Unwissenheit irgendwann einfach nicht mehr ertragen und so fassten sie all ihren Abenteuergeist und ihren Mut zusammen und brachen auf.

Schauergeschichten

Die Schauerliteratur entstand Mitte des 18. Jahrhunderts in England und wird der Phantastik zugeordnet. Sie ist eng verwandt bzw. ein Vorgänger der Horrorliteratur. Eine unserer Missionen ist es, solche Perlen aus der Schatzkiste zu holen und sie einem breiten Publikum zugänglich zu machen. (Abgesehen davon ist das Verfassen von Schauergeschichten die heimliche Leidenschaft unseres Chefredakteurs.) Bald mehr – hier am ALPENFEUILLETON.
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Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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