Der Teufel in der Umzugskiste

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Foto (c) Manu, Mohrchens ears.. [explored!], flickr.com

Umziehen ist wie eine Krankheit. Erst fängt alles harmlos an. Die paar Kisten. Das bisschen Niesen. Doch mit der Zeit werden die Symptome stärker. Taschentücher und Kisten stapeln sich. Die Schweißausbrüche kommen immer schneller. Irgendwann beginnt der Kopf zu surren. Später ist er ganz in Watte gepackt. Die Welt wirkt weit entfernt. Die Realität schein sich zu verabschieden. Nach wenigen Tagen fehlt der Blick fürs Wesentliche. Panik, Unzufriedenheit und Abwehr halten Einkehr. Bloß weg mit alle dem. Ich mag nicht mehr. Wer will schon krank sein?
Umziehen ist wie ein großer Abschied ohne Tränen. Der Vermieter drängelt, die letzten Kisten müssen raus. Der Strom soll abgemeldet werden. Die Wände brauchen dringend einen Anstrich. Zeit für einen Abschied bleibt nicht mehr. Keine Tränen fließen. Kein Danke. Kein leises „Auf Wiedersehen.“ Raus aus dem Haus, zu die Tür. Das war es. Ein Kapitel ist vorüber, Erinnerungen eingeschlossen. Draußen ist es kalt. Es regnet. Der Schirm liegt noch immer oben. Ganz nah und unerreichbar.
Umziehen ist wie Schifflfahren, nur ohne Hafen. Zumindest temporär. Das Schiff ist ausgelaufen. Ein Blick über die Schulter. Der Heimathafen verschwindet hinterm Horizont. Der Blick nach vorne. Wasser, Wasser. Die See ist unser Zuhause. Der neue Hafen, noch nicht in Sicht. Das Meer wird wilder. Stürme ziehen auf. Wasser platscht und schäumt. Unruhe und Chaos breiten sich aus. Wir sind all dem ausgeliefert. Ohne Rettungsweste. Ohne zweiten Boden.
Umziehen ist gefährlich. Wer umzieht trägt das Risiko sich zu verlaufen. Wenn auf See die Stürme toben, schleicht der Teufel an Deck umher. Er zieht die Menschen in Gedanken. Lässt sie träumen von den fernen Inseln. Von warmem Sand unter den Füßen. Niemand bleibt am Schiff zurück. Ein jeder hängt wo anders ab. Hör nicht auf ihn. Bei dir zu bleiben, in all der Not. Der Verführung widerstehen. Das ist die Kunst der Stunde.
Umziehen ist eine wertvolle Erfahrung. Wenn die Wolken sich verziehen und die Lüfte sich beruhigen. Wenn das Wasser stiller wird und klarer. Wenn der neue Hafen sichtbar wird. Die winkenden Menschen, die Taverne. Wenn die neue Heimat spürbar wird und jemand jubelt. Dann ist der Schatz nicht mehr vergraben und alle reicher als zuvor.
Der Teufel lauert in der Umzugskiste. Hör nicht auf sein Versprechen und bleib bei dir.

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

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