Österreich: die Versuchsstation des Weltuntergangs

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Österreich und die Politik: dass das zusammen geht. Wie geht das zusammen? SPÖ, ÖVP und FPÖ gab es schon immer, wenn auch unter anderen Namen. Irgendwann in den 1980ern kamen die Grünen dazu, die seitdem auch fester Bestand der Politik Österreichs sind. Andere kleine Parteien kamen und gehen, derzeit am besten zu sehen am Beispiel des Team Stronachs. Immer haben die Roten oder die Schwarzen allein oder zusammen regiert, nur zwei mal gab es eine andere Konstellation: da gingen die großen, alten, Traditionsparteien mit den Blauen zamm. Weil sie’s können.
Die Politik gründet auf Macht. Es geht ausschließlich um deren Erhaltung. Im extremsten Fall geht man da sprichwörtlich über Leichen (Cäsar, Frank Underwood). Wahlkämpfe sind immer eine besonders spannende Zeit, da wird so viel versprochen, so viel gegenseitig angepatzt, so viel ausgeschlossen und sehr überheblich agiert. Aber merke: Hochmut kommt vor dem Fall. Franz Voves.

Einmal geht’s noch

Schauen wir uns einmal die Landeshauptleute Österreichs an:
[otw_shortcode_info_box border_type=“bordered“ border_style=“bordered“]Landeshauptleute Österreichs nach Dauer:
Niederösterreich: Erwin Pröll ÖVP seit Okotber 1992
Wien: Michael Häupl SPÖ seit November 1994
Oberösterreich: Josef Pühringer ÖVP seit März 1995
Burgenland: Hans Niessl SPÖ seit Dezember 2000
Steiermark: Franz Voves SPÖ seit Okotber 2005
Tirol: Günther Platter ÖVP seit Juli 2008
Vorarlberg: Markus Wallner ÖVP seit Dezember 2011
Kärnten: Peter Kaiser SPÖ seit März 2013
Salzburg: Wilfried Haslauer ÖVP seit Juni 2013[/otw_shortcode_info_box]
Viele Wähler sind jünger als Prölls, Häupls oder Pühringers Amtsperioden lang sind. Einmal gewählt kann man so ziemlich alles machen. Nur wenn dich der Koalitionspartner oder gar die Opposition raus mobbt kanns mal brenzlig werden (nur so als kleine Gedankenhilfe: Gabi Burgstaller). Aber da braucht es dann schon auch eine gehörige Portion Größe, dass man von sich aus zurücktritt. Andere lassen sich halt zu Landtagspräsidenten küren (van Staa) oder sind Opfer von grauenhaften und enorm ausgefallenen Intrigen (Dörfler). Aber prinzipiell gilt: sich aufstellen lassen, einmal Wahlkampf machen (das erste mal), gegen den Konkurrenten gewinnen und dann wieder und wieder wählen lassen. Es ist ja auch ein feines Leben, auf all den Festen eingeladen zu sein, umworben zu werden und ab und zu einmal auf den Tisch zu hauen, wenn irgendwas so gar nicht ins eigene Weltbild passt.
Niessl und Voves wagten noch einmal den Sprung in die Wiederwahl. Im Burgenland hat Niessl keinen Grund zur Sorge, das östlichste Bundesland ist die letzte verbliebene Hochburg der SPÖ. Bei Voves war das natürlich schon spannender, seine Reformpartnerschaft mit der ÖVP war nicht der Burner bei großen Teilen der steirischen Bevölkerung. Aber versprochen: bei unter dreißig Prozent wars das mit der Regentschaft Franz‘ Voves. Da gibt’s nix. 

Jetz is des natürlich extrem bitter

Dass er so einfahrt und sein Versprechen ständig zitiert wird: damit hat Voves wirklich nicht rechnen können, ist man sich zumindest in den roten und auch schwarzen Reihen sicher. Das betont man auch oft und gerne. Am spannendsten an Österreichischen Wahlen sind immer die Ausreden und die neuen Sichtweisen. Ja es haben rund 30 Prozent die FPÖ gewählt, aber auch 60 Prozent die alten Großparteien. Wer wählt die eigentlich noch?
Eines muss man den Burgenländern und Steirern lassen, die gehen wenigstens wählen. Mit 76% Wahlbeteiligung im Burgenland und 67 % in der Steiermark sind sie fleißiger als alle Tiroler zusammen (60%). „Früher“ war ich mir immer sicher, dass die Wahlbeteiligung direkt mit der Bildung zusammenhängt. Wer Demokratie zu schätzen weiß, nimmt sein Wahlrecht wahr. So einfach ist das. Spätestens seit den ÖH-Wahlen weiß ich, dass wählen nichts mit Bildung zu tun hat.
Wahlkämpfen muss gekonnt sein, in Österreich scheint man ausschließlich an der FPÖ zu orientieren. Platte Sprüche, Ausländerfeindlichkeiten, Rassismus, das zieht bei den Leuten. Die SPÖ und die ÖVP probieren auch vermehrt auf „Ausländerthemen“ zu setzen, erhofft man sich doch Wähler von den Blauen einzufangen. Eigene Werte: Fehlanzeige. Hauptsache der andere verliert Stimmen. Die FPÖ kann als einzige Partei ihre Wähler zum Wählen animieren. Das schmerzt.

 Es war halt immer schon so

Für die Größe Österreichs ist es sehr untypisch, dass es so wenige Parteien gibt und gab. Früher standen hinter den Namen auch noch wirkliche Parteiprogrammen, Werte, die Parteien hatten ihre eigenen Wählerschichten, wer Arbeiter ist wählt rot, wer Beamter ist schwarz. Und wer ein Ewiggestriger oder gar noch ein alter Nazi ist wählt die Heimatpartei namens FPÖ. Das war immer so. Jetzt verschieben sich diese Gesetzmäßigkeiten. Die neue Arbeiterpartei ist heißt FPÖ. Das müsste natürlich ein Alarmsignal für die SPÖ sein, die Sirenen am Ballhausplatz müssten Sturm läuten, es wäre spätestens jetzt an der Zeit die eigenen Grundsätze zu überdenken und wieder das zu machen, was drauf steht: Sozialdemokratie. Bei der ÖVP ist es eh immer das gleiche: sparen, Kirche, Wirtschaft, Beamte bitte danke fertig. Und die Blauen brauchen nur irgendwelche Lügen (nein, es sind nämlich nicht einmal Halbwahrheiten) rausposaunen, sich als „ausgegrenzt“ positionieren, und als Opfer von allen „Gutmenschen“. Das reicht. Zack bumm 30%, Ausländer nein, Österreich ja. Strache <3 Und zur Bewahrung der Macht hält man sich nicht an die letzten Grundzüge, nichts mit den Blauen zu machen. Niessl und die FPÖ im Burgenland. Die roten Wähler müssten empört sein, man müsste tagelanges schreien und klopfen auf den Straßen hören (vom Kopf gegen die Wand schlagen). Stattdessen: Resignation. Wird schon passen. Hauptsache regieren.
Wo sind eigentlich die Linksparteien in Österreich? Die Grünen? Nein, sieht man in die Länder ist das nur eine schwarze Ökopartei. Die haben einen großen Teil ihrer Wähler zumindest in Tirol vergrault und enttäuscht. Die sind’s also einmal nicht. Die SPÖ? Tut so, aber nein. Die KPÖ? Verheerend klein, außer in der Steiermark. Nein die also auch nicht. Ich will ja gar keine sozialistische Partei, sondern nur eine, die es verdient, Sozialdemokratie drauf stehen zu haben. Das wär mal was.
Die zwei Großen verlieren mehr und mehr, die Wahlbeteiligung geht zurück, gleichzeitig wird mehr direkte Demokratie gefordert. Sieht noch wer den Widerspruch? Ein erster Schritt zur Steigerung der Wahlbeteiligung wäre, wenn die Politiker endlich Rückgrat zeigen, anstatt die Leute regelmäßig zu verarschen. Voves müsste zurücktreten wie er es versprochen hat. An eine rot-blaue Koalition, ein langes NoGo, dürfte nicht einmal ein Gedanke verschwendet werden, jetzt kommt sie im Burgenland. Und Faymann? Dem ist sowieso alles Wurscht. So nicht. So gehts einfach nicht.
Aja, zur Überschrift: Das Zitat stammt vom großen Karl Kraus, der Österreich als Versuchsstation für den Weltuntergang bezeichnete. Vor ca. 100 Jahren.

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