Theater in der Gasse: Der Unternehmer ist schuld.

7 Minuten Lesedauer

Der Inhalt

Hunderte Frauen und Männer protestieren gegen die steigenden Preise im Supermarkt und entscheiden heute: „Bezahlt wird nicht!“. Angeführt von Antonia wird der Laden ausgeraubt. Franz, Antonias Mann, ist Arbeiter und will sich ganz klar vom Lumpenproletariat abgrenzen. „Gestohlen wird nicht!“, ist seine Divise. Jetzt muss Antonia irgendwie vertuschen, dass die Einkaufsware gestohlen ist. Das ist besonders schwierig, weil sie im Eifer der Stehlerei nur Tierfutter entnommen hat. Die Polizei führt nun Razzien in den Häusern durch, um die Waren zu finden und die Täterinnen zu schnappen.

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So sehen Haller Räuber aus!

Die Frauen in Hall verstecken die Diebeswahre in ihren Bäuchen. Als der Kriminalinspektor den Clou durchschaut, erfindet Antonia ein Sage, nach der alle Frauen einmal im Jahr sich die Bäuche ausstopfen um der Heiligen Eulalia zu gedenken. Als Franz von seinem Kollegen erfährt, dass ihre Fabrik geschlossen wird, beginnt auch Franz zu stehlen. Das teilt er dann über Umwegen seiner Frau mit. Der Vater von Franz kommt dann mit einem Räumungsbefehl, weil ihre Miete seit Monaten nicht mehr bezahlt wird. Gesungen wird am Ende: „Und wenn du eines Tages sterben musst, stirbt nicht ein alter, ausgepumpter Maulesel, nein, ein Mensch stirbt, ein Mensch, der frei und zufrieden gelebt hat, mit anderen freien Menschen.“.

Die Inszenierung

Das Ensemble hat sich heuer einiges vorgenommen. Sah ich letztes Jahr eine inhaltlich einfache, locker-flockige Komödie mit Musik, gab es heuer zusätzlich politische Aspekte, Wechsel zwischen Italien und Hall und auch Ausstiege aus der Bühnensituation. Das ist ganz schön komplex und funktioniert leider nicht so ganz.
Wir sehen hier eine Farce. Was das ist, beschreibt Wikipedia so.
„Farce (Theater)“
Eine Farce [fɑrs] ist eine Komödie, die das Ziel hat, die Zuschauer durch die Darstellung von unwahrscheinlichen oder extravaganten, aber häufig denkbaren Situationen, Verkleidungen und Verwechslungen zu unterhalten. Sprachlicher Humor inklusive Wortspielen und sexueller Anspielungen und ein schnelles Tempo, das im Verlaufe des Stückes noch schneller wird, und bewusste Absurdität oder Unsinn sind ebenfalls häufig in einer Farce zu finden.“
13672032_1268576253167675_366107524_nSo weit, so gut. Das Stück stammt aus den 1970er Jahren und spielt eigentlich in Mailand. Klassenkampf ist ein großes Thema. „Der Unternehmer ist schuld.“, hört man öfter. Es scheint also eine Zeit vor „Pokemon Go“ zu sein und als arbeitender Mensch ist man mal prinzipiell am Arsch und der Unternehmer ist ein Arsch. Jetzt wird das Stück aber nach Hall 2016 geholt (wenn ich das richtig verstanden habe). 2016, in meiner Welt, sehe ich den Klassenkampf, in dieser Form, nicht. Am ehesten konnte ich was mit den nicht zu bezahlenden Mieten anfangen und den hohen Preisen im Supermarkt. „… die Darstellung von unwahrscheinlichen oder extravaganten, aber häufig denkbaren Situationen…“ sowie „sprachlicher Humor inklusive Wortspielen und sexueller Anspielungen“ und „bewusste Absurdität oder Unsinn“ gelingen dem Ensemble ganz gut. Besonders energetisch treibt Christina Matuella als Antonia das Ganze voran. Der versuchte Bruch zur Ehrlichkeit, zur echten Not der Charaktere am Schluss gelingt leider auch nicht ganz.
Einer der Schauspieler verkörpert drei Rollen. Das ist vom Autor auch so vorgesehen und spielt mit einer zusätzlichen Ebene. Es wird also im Stück kommentiert, dass der Schauspieler gleich aussieht wie seine weiteren zwei Rollen. Warum er aber zu Beginn mit gekonntem Südtiroler Dialekt auftritt, dann aber dieser Dialekt plötzlich und unkommentiert verschwindet, irritiert. Es enttäuscht sogar, weil man die Erwartung nach Sprach- und Dialektvielfalt weckt, dann aber abrupt abgewürgt. Sprachlich hat mich das Stück ohnehin verwirrt. Wenn man es in Hall ansiedelt, muss man nicht so gewollt (leider nicht immer gekonnt) Bühnendeutsch sprechen. Da darf man mit den Hallern, bei den Haller Gassenspielen, auch auf Hallerisch kommunizieren. Jetzt weiß ich schon, dass man mit dem Südtiroler Dialekt und einer weiteren Szene auf italienisch irgendwie den Bezug zum Autor und Italien herstellen wollte. Das sollte aber schon irgendwie besser integriert sein. Es gab auch immer wieder eingebrachte Werbeslogans aus der Gegenwart und Anspielungen zu aktuellen politischen Situationen.
Die Musikeinlagen wirkten oft so: „Ach, wir singen jedes Jahr, heuer also auch!“ und nicht unbedingt dem Stück dienend oder notwendig.
Und die Sache mit dem politischen Theater ist immer so ein Gang auf Messers Schneide. Es ist mir nicht klar, wo der Regisseur und das Ensemble da stehen und was sie sagen wollen. Die Inhaltbeschreibung auf Wikipedia ist da sehr klar und weckte bei mir großes Interesse am Stück. Was auffiel, war, dass man bei den Frauen, die den Einkaufsladen ausraubten, genderte. Es waren nicht nur Frauen, sondern auch ein paar Männer. Zumindest wirkte es gegendert.

Das Fazit

Die Haller Gassenspiele sind sicher immer einen Besuch wert. Es ist eine Komödie und man wird über viele sehr gut inszenierten Szenen lachen. Es fehlte mir nur so ein Ticken mehr Perfektion, den dieses engagierte Ensemble definitiv leisten kann. Vielleicht war ich auch nur bei einer blöden Vorstellung oder man hatte Ausfälle bei den Proben oder das unklare Wetter an diesem Abend hat alle irritiert oder die parallel passierten Anschläge in München sind schuld. Vielleicht bleiben wir aber einfach dem Stück treu: Der Unternehmer ist schuld!
Weitere Vorstellungen. Noch bis 13. August.


Alle Fotos (c) Haller Gassenspiele.

 

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