Ein richtiger Mann macht kein Yoga

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Original Titel: Vier Fäuste für zwei herabschauende Hunde


Gestern Abend bekomme ich eine SMS. Der Inhalt: Was ziehst du zum Yoga immer an? Ich schaue verwundert zwischen den sieben Wörtern und dem Absender hin und her. Anschließend muss ich kurz nachdenken und komme zum Ergebnis: Sporthosen und ein Shirt. Dieses Outfit ist in vielerlei Hinsicht praktisch. Erstens gibt es im Yoga Figuren, bei denen man seine Gliedmaßen ordentlich verknoten muss – Beinfreiheit ist da von Vorteil. Zweitens gibt es Übungen, bei denen unterschiedliche Figuren aneinander gereiht werden. Dabei entsteht ein Flow, der einen schon einmal ins Schwitzen bringen kann. Mehr als ein Shirt ist also nicht von Nöten. Drittens packe ich meine Yoga-Sachen oft erst in der Früh in meine Arbeitstasche. Sporthose und Shirt sind schnell gefunden. Langes Überlegen bleibt einem also erspart. Ich tippe die Information in mein Handy ein. Kein Wimpernzucken später kommt die Antwort: Kurze Hose? Nein, ich trage immer lange Hosen. Die erinnern mich an asiatische Mönche. Das hilft mir in die richtige Stimmung zu kommen. Diese Information behalte ich für mich und tippe stattdessen: Fängst du auch mit Yoga an? Es folgt eine bejahende Antwort, die mich noch ungläubiger dreinschauen lässt.
Heute Vormittag setzt sich die SMS-Konversation mit folgender Nachricht fort: Krass war das anstrengend. Ich bin im Anschluss kaum mehr die Stiege runtergekommen. Ich antworte schlicht: Ja. Welcome to Yoga Life. Die Reaktion: Ich bleib dran. Das hat echt Potenzial. Lustig, dass das bei uns fast nur Frauen machen. Ich nicke. Die Erfahrung deckt sich mit meiner. Auch in den Yoga-Kursen an denen ich teilgenommen habe, herrschte deutlicher Frauenüberschuss. Männliche Wesen schlagen beim Wort Yoga meist eher die Hände über dem Kopf, als die Füße dahinter, zusammen. Männer sind beim Yoga eine absolute Seltenheit. Aber wieso? Wenn ich an Yoga-Meister denke, dann fallen mir immer hagere, langbärtige, alte Männer (!) ein, die zufrieden grinsen, während sie mit den Knien hinter den Schultern, einen Handstand machen. Wieso also hat Yoga trotzdem den Ruf weiblich – ein Sport für Frauen – zu sein?
Wenn freitags nach dem Fußballtraining, in der Dusche, stolz verkündet wird, wie anstrengend die Einheit gerade war – quittiere ich das mit einem Lächeln. Nicht, weil es nicht tatsächlich anstrengend gewesen wäre. Aber wer einmal beim Yoga war, weiß was Schmerzen bedeuten. Die Kombination aus kontrollierter Atmung und körperlichen Übungen, fordert Geist und Muskeln gleichermaßen. Nach eineinhalb Stunden aktiver Meditation, fühlt es sich ein wenig so an, als hätte man nach einer ausgiebigen Wanderung, noch eine ganze Zeit lang in der Sauna geschlafen und dabei Zen-Musik gehört. Es ist verdammt anstrengend, den Büroalltag und die damit verbundenen Aufgaben und Sorgen hinter sich zu lassen und Abstand zu gewinnen. In den ersten Minuten einer Yoga-Session fällt einem schon das aufrechte Sitzen schwer. Der Kopf rattert, der Rücken zwickt. In sich einzutauchen ist keine leichte Aufgabe. Doch genau darum geht es – unter anderem – beim Yoga.
In sich eintauchen heißt in erster Linie: Zuhören. Sich selbst zuhören. Wenn die Gedanken erst einmal abflachen und der Kopf ruhiger wird, kommen andere Dinge in einem hoch. Gefühle und Emotionen. Klingt weiblich oder? Vielleicht ist es das – in unserem westlichen Wertesystem gedacht – ja auch. Vielleicht ist es wirklich eine weibliche Stärke, sich mit sich selbst zu beschäftigen und sich den eigenen Emotionen zu stellen. Den Ängsten, den Sorgen, der Scham, dem Ärger, dem Hass. Es ist deutlich einfacher den Deckel zu schließen und so zu tun, als wäre man ein gefühlloser, harter, starker Mann. Und harte, starke Männer halten sich nicht mit Emotionen auf. Sie überlegen sich auch nicht, was sie zum Yoga anziehen. Sie gehen erst gar nicht zum Yoga! Richtige Männer powern sich aus und bringen ihren Körper an seine Grenzen. Ein richtiger Mann muss spüren, dass er beim Sport war. Es muss weh tun. Erst dann war es richtiger Sport. Ich wiege fragend meinen Kopf. Hört sich an wie Yoga.
Je länger ich überlege, desto weniger verstehe ich, wieso Yoga nur etwas für Frauen sein soll. Es kommt mir unendlich männlich vor, zu schwitzen und mich mir selbst zu stellen. Ich schnappe mir mein Handy und antworte dem Neo-Yogi: Weil wir Männer leider kaum mehr Zugang zu uns selbst haben. Sonst müssten wir nicht verbissen versuchen männlich zu sein und vermeintlich Weibliches ablehnen. Vielleicht sind wir Männer aber auch nur so, weil wir verdammte Angst vor dem haben, was in uns wartet, wenn wir einmal hineinhören. Aber nein. Das kann nicht sein. Angst haben ja nur für Frauen.

Glaubt an das Gute im Menschen. Eigentlich Betriebswirt. Hat das ALPENFEUILLETON ursprünglich ins Leben gerufen und alle vier Neustarts selbst miterlebt. Auch in Phase vier aktiv mit dabei und fleißig am Schreiben.

3 Comments

  1. Danke für diesen tollen Beitrag!
    Ich fühle mich in den genannten Einheiten auch manchmal wie „Ochs am Berg“ und dennoch pudelwohl.
    Das gesamte Potential von Yoga auszuschöpfen würde heißen, dass man/frau DIE Erleuchtung erlangen würden, was auch immer das bedeuten soll. Doch alles was dazwischen liegt ist allemal eine erfreuliche Bereicherung für das eigene Leben.

  2. ..und ich schnappe auch mein Handy und hinterlasse ein Kommentar….
    Moin Felix.
    Klasse auf den Punkt gebracht. Ich finde männliche Yogis suuupergut. Richtig, schwitzen kann man bei egal was für einen Sport.
    Aber die, die ins Yoga gehen….gehen achtsamer durch die Welt.
    Also lieber Männer da draußen:
    Auf die Plä…..ähm Matte…LOS

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