Foto von Element5 Digital auf Unsplash

Lebenslanges Lernen

4 Minuten Lesedauer

Hält dich fit. Das habe ich meinen Studierenden am Abendgymnasium jahrzehntelang versichert.

Damit darfst du nie aufhören, um nicht irgendwann das Leben zu verpassen! Und jetzt? Inzwischen bin ich selbst vom Zwang zum lebenslangen Lernen genervt!

Aber nicht von neuen Sprachen, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, Zukunftsvisionen. Nein, von den banalen, ganz alltäglichen Dingen wie Gartenschläuchen und elektronischen Geräten. Da schickt mir der Provider, nachdem er mir ein schnelleres Internet zu nur marginal erhöhtem Preis aufgeschwatzt hat, ein Kabel. Mit einer bebilderten Gebrauchsanleitung – sicher für Sprachunkundige oder Leseschwache gut gemeint. Super, denke ich, das schaffe sogar ich anzustecken. Ich folge der Anleitung, der zufolge ich dann am Festnetz übers Internet telefonieren können sollte. Nur leider ist danach das ganze Internet mausetot. Die angegebene Hilfe-App nützt mir ohne Internetzugang einen Schmarren. Soll ich also via Festnetz anrufen und in der Warteschleife meinen Tag verbringen? Den alten Zustand wieder herstellen? Dann habe ich umsonst bezahlt. Und was tue ich mit dem alten Splitter? Ich habe keine Ahnung, was ein Splitter eigentlich macht. Irgendwelche Impulse verteilen, nehme ich an. Aber muss ich alles wissen und verstehen? Ich wollte nur ein Kabel anstecken.

Es ärgert mich, wie mich jedes neu erstandene Produkt dumm dastehen lässt!

Zum Beispiel der neue Gartenschlauch. Den multifunktionalen Sprühkopf ohne Gebrauchsanleitung aufzustecken schaffe ich leider nicht. Drehen? Drücken? Beides gleichzeitig? Er will nicht einrasten. Die vielgepriesene Intuition fehlt mir. Ich besäße ja noch ein zwei alte Stecksysteme. Nur leider ist keins mit dem neuen Sprühkopf und dem sich selbst einrollenden Schlauch kompatibel. Und die alten Systeme, die ich einmal billig erstanden habe und welche jahrelang brav gehalten haben, waren plötzlich im Baumarkt nicht mehr erhältlich. Schließlich fülle ich meine alte Gießkanne und gieße die Blumen wieder wie ehedem — ohne vielfach verstellbaren Sprühkopf.

Sogar einen Kinderwagen zusammen- und erst recht wieder auseinanderzuklappen erfordert heutzutage das Lesen einer Bedienungsanleitung. Dafür kann ich ihn dann, nach eingehendem Studium und etlichen Übungseinheiten, in X Lagen verstellen, was ich aber nie tue, weil ich die Bedienungsanleitung ja nicht mitführe und das Kind schreit, wenn ich den Umbau nicht aus dem FF im Eiltempo hinkriege.

So beschämen mich die Dinge tagtäglich. Nicht einmal einen Gartenschlauch zusammenstecken kann ich mehr! Früher, ja früher, da gab´s Schraubgewinde, linksrum, rechtsrum. Deren Kenntnis war, einmal erlernt, universell anwendbar. Dann kam ein Stecksystem auf. Wunderbar! Einstecken – hält! Auch das war ohne Anleitung zu erlernen. Aber diese neuen Dreh-Steck-Drück-Zieh-Systeme überfordern mich.

Und es bleibt ja nicht bei Gartenschlauch, Kinderwagen, Splitter. Jedes neue Handy, der neue Fernseher, das neue Auto raubt mir mit immer ausgeklügelteren „Features“ Lebenszeit und Kraft. Soll ich wirklich den Rest meiner Tage an völlig unnützes Detailwissen über nebensächliche Produkte vergeuden? Ich hätte doch noch anderes im Leben vorgehabt …

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.