(K)ein Fußballmärchen

Ist der Aufstieg des "kleinen" katalonischen Vereins wirklich so romantisch?

4 Minuten Lesedauer
Foto von Moosa Moseneke auf Unsplash
Foto von Moosa Moseneke auf Unsplash

Vor zwei Jahren spielte der FC Girona noch in der zweiten Liga, nun kämpft der Klub aus Katalonien um die spanische Meisterschaft. Ein medial vielzitiertes Märchen, das eigentlich keines ist.

In einer Zeit, in der der Fußball immer mehr zu einer Wirtschaftswelt avanciert und in der meist stets dieselben Teams um die großen Titel mitspielen, freut man sich umso mehr, eine Underdogstory hautnah mitzuerleben. Ein Fußballmärchen, in dem sich David gegen Goliath durchsetzt und der Fußballwelt der Atem stockt. So eines vollbringt aktuell der FC Girona. Zumindest auf den ersten Blick.

Denn der Klub aus Katalonien, der seit 1930 existiert, hatte in seiner bisherigen Vereinsgeschichte mit Erfolgen und dem spanischen Oberhaus nicht viel zu tun. Bis inklusive der Saison 2016/17 dümpelte der FC Girona über mehrere Jahrzehnte in der zweiten und dritten spanischen Liga herum und fristete damit ein Dasein im Unscheinbaren. Spanischen Fußballfans war er so zwar bekannt, darüber hinaus wusste allerdings niemand so recht von der Existenz des Vereins.

Heute spielt der FC Girona um die spanische Meisterschaft mit – und schreibt damit ein modernes Fußballmärchen. Oder?

Nicht wirklich. Denn der kleine Verein von nebenan, familiengeführt, chaotisch und voller Charme, ist Girona nicht. Zumindest nicht mehr. So markierte die Saison 2016/17 nämlich nicht nur den erstmaligen Klassenerhalt in der ersten spanischen Liga, sondern auch den Beginn einer Zusammenarbeit, die maßgeblich zum derzeitigen Erfolg beiträgt.

Mit der City Football Group, die mehrheitlich im Besitz des Emirats Abu Dhabi steht, bekam der Klub am 23. August 2017 einen neuen Besitzer. Insgesamt übernahm die Gruppe 44,3 Prozent des Vereins und gliederte Girona damit in ein Portfolio ein, in dem auch Klubs wie der New York City FC, der Melbourne City FC, oder die Yokohama Marinos vorhanden sind. Und nicht zu vergessen der englische Top-Klub Manchester City.

Weitere 44,3 Prozent gehören zudem der Girona Football Group, mit Pere Guardiola als Klubvorsitzenden und Bruder des spanischen Erfolgstrainers und ManCity-Übungsleiters Pep. Er soll den Deal spanischen Medien zufolge vermittelt haben und dafür belohnt worden sein. Eine Konstellation, die schnell Früchte tragen sollte. Denn diese brachte Girona nicht nur viel Geld, sondern auch Kontakte.

Im aktuellen Kader der Katalanen stehen vier ehemalige City-Akteure, darunter Stars wie Eric Garcia oder Yan Couto. Letzterer ist als einer von zwei Spielern gar direkt vom Partnerklub ausgeliehen und wurde einst gar bei Arsenal oder Leverkusen gehandelt. Und damit bei Vereinen, außerhalb der Größenordnung Gironas.

Dazu kommen Akteure wie Viktor Tsygankov und Artem Dovbyk, die wohl ohne die City-Perspektive im Hinterkopf nicht den Weg nach Katalonien angetreten hätten und ebenfalls schon bei größeren Klubs auf dem Zettel standen. Mit dem talentierten Brasilianer Savio, der im kommenden Sommer überraschenderweise nach Manchester wechselt, hat man zudem einen Star im Kader, der leihweise vom französischen Zweitligisten und Netzwerk-Partner Troyes kam. Ein weiterer Beweis dafür, wie eng die Klubs über ihr Netzwerk miteinander operieren. Und wie sagte es City-Geschäftsführer Ferran Sorinao so schön: „City ist in Girona enthalten, wie ein Intel-Chip in einem Computer.“

Allessamt also Faktoren, die der Geschichte doch ihren Charme nehmen. Überraschend ist der Höhenflug Gironas dennoch ohne Frage – ein Märchen aber leider nicht.

2000er-Jahrgang. Student. Schreibt gelegentlich Bücher und Texte. Mag alles was mit Sport zu tun hat. CR7 > Messi.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.