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Leben in der Dauerwelle

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Soll das in den kommenden Jahren unsere sogenannte Normalität sein? Es ist seit dem Frühjahr bestens gelungen, Angst in ausreichender Menge im Volke zu streuen, und während längst alle vernünftigen Argumente geäußert und publiziert worden sind, dreht sich die Angstmachmühle munter weiter, garniert mit sogenannten Maßnahmen und überstrahlt von jener Ampel, deren Lächerlichkeit zwar Cartoonisten schon seit Wochen darzustellen versuchen, die sich in ihrer unergründbaren Amtsschimmeligkeit im Grunde jeder Darstellbarkeit entzieht.

Wir machen einfach weiter. Bei Bedarf wird eine querulantische Ärztin aus der steirischen Krankenkasse einfach entfernt, und alles, was sich sonst noch zu mucken traut (inklusive aller jener, die gleich gar nichts sagen), darf sich aus einer Musterkollektion von Beschimpfungen die passende aussuchen: „Posterboys der Rechten und auch ein paar Linke, Antisemiten und Antideutsche, Erdogan-Gläubige und Esoteriker, kampfgestählte Muskelprotze in Kampfuniformen und schmächtige Jünglinge mit Salafistenbärtchen, Burschenschafter, Betende mehrerer Religionen, Hare-Krishna-Jünger und -Jüngerinnen, sogenannte Querdenker und offenbar Gar-nicht-Denker.“ So die Liste einer namhaften österrreichischen „Kultur- und Sozialanthropologin und Publizistin im Bereich Wissenschaftskommunikation“ in einem Kommentar in einer seriösen österreichischen Tageszeitung, und zwar unter dem Titel „Stelldichein der Hygiene-Gegner“, so als sei das gemeinsame Hauptmerkmal all jener, die den offiziellen Corona-Schmus nicht glauben möchten, sich die Hände nicht gern öfter zu waschen. Immerhin wird im Blick auf die Anti-Corona-Demonstranten, von denen da die Rede ist, eingeräumt, daß sich unter den irrenden Schafen auch ganz normale Menschen befinden. Erstaunlicherweise hat die gute Frau bei ihrer Aufzählung im Eifer des Gefechts auf Homöopathen und Anthroposophen vergessen und zudem auf eine ganze Latte von genderistisch geforderten Innen.

Aber ehrlich: selbst wenn ich mich aufatmend unter dem Restposten „Normale“ wiederfinden könnte, auf welcher Ebene reden wir denn da? Sind wir eingeschlafen und unversehens in einer Art später Sowjetunion aufgewacht, wo Leute, die mit der öffentlich geforderten Meinung nicht übereinstimmten, in aller Höflichkeit auf die Psychiatrie expediert wurden, auf daß sie sich ihre Meinung noch einmal in aller Ruhe überlegen konnten, und ein paar Tablettchen und Elektroschocks würden schon mithelfen, daß man sich auf dem Boden des „wissenschaftlichen Weltbilds“ wieder finden könnte? Eine solche pauschale Verunglimpfung, verbunden mit Psychiatrisierung per Ferndiagnose, wie sie unsere Medien zurzeit betreiben, ist mir in den Jahrzehnten, die ich Zeitung lese und für Zeitungen schreibe, noch nicht untergekommen. War also all das Gesülze mit der freien Meinung nur ein solches und eigentlich mehr zum Spaß, so à la „Kinder, jetzt geht ihr in den Hof hinunter und tut schön spielen“?

Kurz und gut, ich verstehe nicht mehr, was hier vor sich geht. In aller Gemütsruhe wird die Wirtschaft an die Wand gefahren, gleichzeitig Geld hinten und Geld vorn versprochen und mit größtem Elan etwas verwaltet, was im Ton einer öden Dauerbetroffenheit als „Pandemie“ bezeichnet wird und sich tatsächlich ungefähr im statistischen Fehlerbereich in der Gegend Null aufhält. Leute, faßt euch an die Nase! Laßt euch nicht tagein tagaus solchen Unsinn erzählen! Kann irgendwer endlich Halt sagen?

Walter Klier, geb. 1955 in Innsbruck, lebt in Innsbruck und Rum. Schriftsteller und Maler.
Belletristik, Essays, Literaturkritik, Übersetzungen, Sachbücher. Mitherausgeber der Zeitschrift "Gegenwart" (1989—1997, mit Stefanie Holzer). Kommentare für die Tiroler Tageszeitung 2002–2019.
Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u.a.: Grüne Zeiten. Roman (1998/Taschenbuch 2014), Leutnant Pepi zieht in den Krieg. Das Tagebuch des Josef Prochaska. Roman, 2008. Taschenbuch 2014). Der längste Sommer. Eine Erinnerung. 2013.
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